Menschenrechte
Die Modalitäten der Menschenrechtsverletzungen haben sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Während zwischen 1960 bis 1982 staatliche Repression mit Folter, politisch motivierter Inhaftierung und aussergerichtliche Hinrichtungen die vorherrschende Modalität war, herrschte von Mitte der 80er Jahre bis 2003 eine staatlich-parastaatliche, systematische Repression vor, deren hauptsächliche Modalität das Verschwindenlassen (schätzungsweise über 50‘000 Personen), die aussergerichtliche Hinrichtung (jährlich mehrere Tausend Opfer), Massaker und die gewaltsame Vertreibung (rund 4,5 Mio. intern Vertriebene) waren. Mit der Politik der sog. „demokratischen Sicherheit“ von Präsident Uribe Vélez (2002-2010) und der (teilweisen) Demobilisierung der paramilitärischen Verbände übernahmen Armee und Geheimdienste wieder eine Hauptrolle bei der Vertreibung, Verfolgung, Ermordung und der Erhebung von ungerechtfertigten Anklagen gegen soziale Führungspersonen und Oppositionelle.
Die Armee ist der Ermordung mehrerer Tausend Zivilisten im Rahmen sog. „falsos positivos“ – wobei Zivilpersonen als im Kampf gefallene Guerilleros ausgegeben wurden – beschuldigt.
Der Geheimdienst DAS hat den Paramilitärs Listen mit den Namen von hinzurichtenden Personen ausgehändigt und illegal und systematisch soziale Führungspersonen, JournalistInnen, PolitikerInnen und selbst RichterInnen bespitzelt.
Soziale Führungspersonen, kritische JournalistInnen, RichterInnen und oppositionelle PolitikerInnen sind in Kolumbien nach wie vor Opfer von Einschüchterung, Todesdrohungen und sind einem sehr grossen Risiko ausgesetzt.
« Es wird von überall her geschossen» – Zunahme der Gewalt im Gebiet der Awá in Nariño
Die ask! begleitet seit mehreren Jahren das indigene Volk der Awá, dessen Territorium im Süd-westen von Kolumbien liegt, und macht regelmässig auf die schwierige Sicherheits- und Men-schenrechtssituation, mit denen die Awás konfrontiert sind, aufmerksam. Leider waren Ende 2022 die Awás wieder mit beunruhigenden Schlagzeilen in den kolumbianischen Medien. Ende Januar-Anfang Februar 2023 unternehmen nun drei Vertreter der UNIPA (Unidad Indígena del Pueblo Awá-eine NGO der Awá) eine europäische Speakertour und werden 3 Tage in der Schweiz sein.
Die Regierung Petro strebt eine grundsätzliche Neuausrichtung der Drogenpolitik an
Die Regierung von Gustavo Petro will die Drogenpolitik grundsätzlich ändern, weg vom Drogenkrieg hin zu mehr Prävention und einer Aufhebung des Prohibitionsschemas. Sein Experte für Drogenfragen ist der Meinung, dass der Moment sehr günstig sei, um die internationale Debatte darüber zu verstärken. Bei der Politikformulierung werden die direktbetroffenen Gemeinschaften einbezogen und die Empfehlungen der Wahrheitskommission zur Drogenpolitik respektive zum Drogenkrieg innerhalb des kolumbianischen Konfliktes geben weiteren Rückhalt für einen fundamentalen Politikwechsel.
Wie erreicht Kolumbien den totalen Frieden?
Eines der grossen Ziele der Regierung von Gustavo Petro ist es, den totalen Frieden zu erreichen. Die „paz total“ ist in diesem Konzept viel mehr als das Schweigen aller Waffen oder Sicherheit für alle Bewohner des Landes. Es beutet auch Sicherheit vor Hunger und Armut oder Bewältigung der Umwelt- und Klimakrise. Das war auch eine der Kernaussagen von Petro an der UNO Vollversammlung: es gibt keinen totalen Frieden ohne soziale, wirtschaftliche und Umweltgerechtigkeit. Im Endeffekt strebt Petro als Vision einen totalen Frieden an, der auch den Drogenkrieg beendet und die Klimakrise überwindet, um letztlich die Spezies Mensch zu retten. Deshalb auch sein Appell, die Abhängigkeit von Erdöl und Kohle zu reduzieren und den Amazonas zu retten. Der Aufbau eines Entwicklungsplanes in 50 partizipativen Dialogen in den (gewaltgeprägten) Regionen ist ein wesentlicher Baustein dieses Planes.