von Stephan Suhner

Die bisher dritte menschenrechtliche Folgeabschätzung für Glencore-Prodeco wurde durch das Consultingbüro Trust Consultores im Zeitraum April 2022 bis Februar 2023 durchgeführt. Ab Oktober 2023 wurden die Resultate sozialisiert. Dabei schien das Vorgehen von Trust wenig transparent zu sein, einige Vertreter von sozialen Basisorganisationen und Führungspersonen wurden eingeladen, andere (noch) nicht. Z.T. wurden nur einzelnen Personen und nicht z.B. der ganze Vorstand einer Basisorganisation eingeladen. Auf jeden Fall führte das Vorgehen von Trust zu Unruhe unter den Führungspersonen der Gemeinschaften. Die ask! hat diesen Umstand an Trust und Prodeco zurückgemeldet, weil die ask! wegen der menschenrechtlichen Folgeabschätzung von Cerrejón mit dem Unternehmen und Trust in Kontakt stand. Ebenso fragten wir mehrmals nach, wann die Trust-Studie zu Prodeco öffentlich gemacht werde.

Seit einigen Monaten läuft die Kommunikation zu sozialen und menschenrechtlichen Themen von Prodeco über Angestellte von Cerrejón, v.a. über Inés Andrade.  Ende Februar 2024 erhielt Stephan Suhner von der ask! eine persönliche Einladung von Cerrejón/Trust für eine Sozialisierung der Resultate der menschenrechtlichen Folgeabschätzung von Prodeco am 6. März 2024.  Es war klar, dass Stephan Suhner nicht alleine teilnehmen würde und auch nur, wenn ask! die Resultate der Studie vorgängig erhält, um sich vorbereiten zu können. Abklärungen ergaben, dass PAX for Peace z.B. bisher nicht eingeladen worden war, aber daran interessiert wäre. Gleichzeitig begann die persönliche Einladung an Stephan Suhner unter einigen Gewerkschaftsführern und sozialen Führungspersonen in Cesar zu zirkulieren, das Unternehmen hatte sie also an einige Personen weitergegeben, mit welcher Absicht ist unklar. Tierra Digna wurde für den 5. März 2024 ebenfalls zu einer Sozialisierung eingeladen. Die ask! machte dann den Vorschlag, dass mehrere im Cesar aktive kolumbianische und internationale NGO und soziale Führungspersonen der Gemeinschaften sowie die Gewerkschaften gemeinsam eine Sozialisierung verlangen sollten, sowie vorgängig die Resultate erhalten sollten. Dieser Vorschlag wurde für gut befunden und dann von der ask! an Trust und Prodeco übermittelt. Zu unserem grossen Erstaunen stimmte Prodeco zu und machte mehrere Terminvorschläge. Einzig zur Teilnahme der Gemeinschafts- und Gewerkschaftsvertreter äusserte sich das Unternehmen nicht.

Relativ kurzfristig verschickte Trust eine Powerpoint-Präsentation mit den Resultaten der Studie und den Empfehlungen an Prodeco. Zudem lud Trust mehrere eher firmennahe NGOs ein, u.a. CREER und Dialogos Improbables. Das Unternehmen nahm an den virtuellen Sozialisierungssitzungen nicht teil, was ein grosser Nachteil war. Einerseits gab es Fragen, die das Unternehmen hätte beantworten sollen und auch nur das Unternehmen beantworten kann, andererseits wäre es gut gewesen, wenn sie unser Feedback direkt gehört hätten. Geplant war, die Resultate und Empfehlungen in drei Sessionen à 2 Stunden zu diskutieren. Trust hat die NGO-Feedbacks der ersten Session in der PPT recht gut aufgenommen. Obwohl Trust vorgängig eine PPT mit den Resultaten verschickte, wurde viel Zeit darauf verwendet, das ganze nochmals vorzutragen. So musste schlussendlich eine dritte Gesprächsrunde organisiert werden, um alle Auswirkungen, Risiken und Empfehlungen diskutieren zu können. Es war schwierig, den Ausführungen von Trust zu folgen, teilweise waren es sehr schlechte Redner, teilweise ist es eine Abfolge von eher technischen Ausführungen mit einem extremen „Projektitis“-Slang. Wenn sie so vor Gemeinschaften auftreten, ist sehr fraglich, wieviel bei den Gemeinschaften wirklich ankommt. Es scheint sprachlich und methodisch nicht angepasst zu sein.

Mehr Frage als Antworten

Der vorläufige Bericht von Trust wirft viele Fragen auf. Da ist zum einen die Zeit, die für die Erarbeitung der Studie aufgewendet wurde. Zwischen April 2022, als mit der Studie begonnen wurde, bis April 2024, wenn Trust den Bericht an Prodeco übergeben wird, sind zwei Jahre vergangen. Dann muss Prodeco noch einen Aktionsplan erarbeiten oder bestimmen, welche Empfehlungen von Trust sie wie umsetzen. In diesen zwei Jahren hat sich die Situation in und um Prodeco laufend stark verändert und es hat verschiedene menschenrechtliche Risiken und Auswirkungen gegeben, zum Beispiel die ganzen sozialen und wirtschaftlichen Rechte durch den Verlust an Arbeitsplätzen und Einkommensmöglichkeiten, bis hin zu Drohungen und gewaltsamen Übergriffen auf soziale Führungspersonen. Es traten also verschiedene Situationen ein, die mit Prodecos Aktivitäten oder Unterlassungen zusammenhängen, und die ein korrigierendes Eingreifen Prodecos benötigt hätten. In der Zeit hat aber Trust ruhig an der Studie gearbeitet. Verschiedene Risiken wurden sogar erst durch Handlungen Prodecos geschaffen, z.B. durch deren Weigerung, das Urteil vom 9. Dezember 2022 über die Transparenz und die Mitsprache der Gemeinschaften beim Erarbeiten des Schliessungsplans umzusetzen. Das verletzte Rechte auf Information und Mitsprache (die von Trust aufgeführt werden) und verschärfte die Spannungen, die dann zu Drohungen gegen Mitglieder des Tisches für eine verantwortungsvolle Minenschliessung[1] führten. Zwar anerkennt Trust, dass die Fertigstellung der menschenrechtlichen Folgeabschätzung lange gedauert habe, aber teilweise sei es auch deshalb gewesen, weil Prodeco auf Entscheidungen des Staates gewartet habe. Weiter sagt Trust, sie hätten gewisse Situation überwacht und Prodeco auf Probleme hingewiesen, soweit es die Vertragsbedingungen erlaubt hätten. Bis jetzt konnten wir jedoch kein korrigierendes Eingreifen Prodecos in irgendeinem Bereich feststellen. So vergeht also einerseits viel zu viel Zeit, bis eine solche Studie gemacht ist und dann Schlüsse daraus gezogen werden könnten, und das Instrument ist so viel zu wenig operativ. Es stellt sich die Frage, was der Sinn solcherart ausgelagerter Studien ist, und ob nicht Prodeco selbst permanent menschenrechtliche Folgeabschätzungen bezügliches ihres Tuns vornehmen müsste, oder derartige Studien zumindest durch eigenes Monitoring ergänzen müsste.

Viele der aufgedeckten Risiken oder Auswirkungen sind zudem nicht neu, z.B. die Beeinträchtigung der sozioökonomischen Rechte der Gemeinschaft El Hatillo wegen der immer noch nicht vollzogenen Umsiedlung. So gab es z.B. schon Anfang 2013 ein Hungerkrise in El Hatillo, die von den Unternehmen Prodeco, Drummond und CNR nicht verhindert wurde. Viele Auswirkungen sind auch sehr offensichtlich, und um diese zu bemerken, braucht es keine aufwändigen Studien, so z.B. die sozialen Auswirkungen aufgrund der Massenentlassungen. Viele der Risiken und Auswirkungen wurden schon in der Studie von 2019 von der Fundación Ideas para la Paz (FIP) aufgezeigt. Es bestand basierend auf dieser Studie ein menschenrechtlicher Aktionsplan von 2020 bis 2022 von Prodeco, der aber niemandem bekannt ist. Bis heute gibt es keine bekannte Evaluation, es ist nicht bekannt, ob wirkungsvolle Massnahmen verlängert oder ob Anpassungen vorgenommen wurden. Prodeco schreibt auf seiner Webseite, dass im Hinblick auf die neue menschenrechtliche Folgeabschätzung von Trust eine Evaluation des Aktionsplans vorgenommen worden sei, aber Trust äussert sich dazu nicht und im vorläufigen Bericht gibt es keine Hinweise darauf. Am 27. März 2024 teilte Prodeco per Mail mit, dass die Studie der FIP von 2019 und der darauf basierende Aktionsplan verschiedene Schwierigkeiten erfahren hätten, einerseits durch den vorgezogenen Ausstieg von Prodeco, andererseits durch die Pandemie, so dass die Partizipation limitiert gewesen sei und nicht alles habe umgesetzt werden können. Daher habe Prodeco die neue Studie bei Trust in Auftrag gegeben, die näher an der aktuellen Realität von Prodeco sei. Trotzdem werde aber bald eine Evaluation über die Studie von 2019 und den Aktionsplan vom 2020-2023 veröffentlicht.

Wie gesagt bestehen verschiedene negative Auswirkungen schon lange und hätten auch schon lange angegangen werden sollen, um sie zu beenden oder zu verringern. Es stellt sich die Frage, ob diese Studie und die Empfehlungen nicht schon zu spät kommen, da Prodeco ja daran ist, seine Tätigkeiten im Cesar zu beenden. So ist nicht bekannt, wie viel Zeit Prodeco brauchen wird, um einen neuen Aktionsplan zu erarbeiten, und ebenfalls ist nicht bekannt, wie lange Prodeco noch vor Ort sein wird, um die sozialen und Umweltverpflichtungen zu erfüllen. Verschiedentlich machten Gerüchte die Runde, Prodeco verlasse den Cesar noch im März 2024, was dann nicht der Fall war. Aber trotzdem ist unklar, ob Prodeco z.B. noch ein halbes Jahr Massnahmen umsetzen will, oder ob es nochmals einen zwei- oder dreijährigen Aktionsplan gibt.

Fehlende Impacts und schwache Empfehlungen

Bis jetzt hat Trust in der Sozialisierung schriftlich nur ausgewählte hohe und sehr hohe Risiken knapp vorgestellt und online diese kommentiert. Verschiedene Risiken und Impacts fehlen aber. Beispielsweise finden die direkten Drohungen gegen soziale Führungspersonen ebenso wenig Erwähnung wie die Zunahme an Kinderprostitution, beides Auswirkungen die in der Analyse der FIP 2019 erfasst wurden und die eher zu- als abgenommen haben. Auf Nachfrage anerkennt Trust sowohl die Drohungen gegen Gemeinschaftsführer als auch die sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen, diese sind aber in allgemeineren Formulierungen versteckt. Zudem gibt es verschiedene Risiken, die nach unserer Ansicht eigentlich heute längst Auswirkungen (Impacts) sind. Auch da sagt Trust, dass Risiken potentielle Auswirkungen seien und der Übergang fliessend sei. In gewissen Bereichen war der Bericht der FIP auch klarer und systematischer, in dem die Auswirkungen nach der Verantwortung Prodecos unterteilt wurden in „verursacht“, „beigetragen“ und „damit verbunden“. Zudem sind die Empfehlungen in vielen Punkten viel zu schwach. So wird aufgezeigt, dass durch mangelnde Information und Partizipation oder mangelnde Konsultation der ethnischen Gruppen (FPIC) die Rechte eingeschränkt sind. Aber statt z.B. die Umsetzung des Tutela-Urteils[2] vom Dezember 2022 oder die Durchführung einer Konsultation der afrokolumbianischen und indigenen Gemeinschaften zu empfehlen, schlägt die Studie eine verbesserte Kommunikation vor. Dabei gibt es Erfahrungen mit der Durchführungen von nachträglichen Konsultation als wiedergutmachendes Instrument, wenn keine vorgängige Konsultation stattgefunden hatte. Für die immer noch nicht erfolgte Umsiedlung von El Hatillo wäre die einzig richtige Empfehlung, endlich den Umsiedlungsplan PAR umzusetzen, ein von beiden Seiten – Gemeinschaft und Unternehmen – unterzeichnetes verbindliches Dokument, statt irgendwelche Studien zu empfehlen.

Trust schlägt die Erarbeitung einer eigentlichen Kommunikationsstrategie für den Umgang mit den Gemeinschaften vor. Diese Empfehlung kommt aber ebenfalls sehr spät, wenn Glencore schon die Zelte abbricht. Zudem ist auch diese eine Forderung, die schon vor mindestens zehn Jahren erhoben wurde, z.B. um die Verhandlungen für Umsiedlung von El Hatillo zu verbessern. Die fehlende oder schlechte Kommunikation führte sogar dazu, dass die sozialen Netzwerke der Gemeinschaften geschwächt wurden. Der Klagemechanismus und die PQR sind Instrumente, in die die Bevölkerung wenig vertrauen hat. Für Juan Manuel Peña von Fundacion Chasquis ist diese Studie nur ein „Saludo a la bandera“, eine wirkungslose Übung. Angela Velandia von Fundación Pax Colombia weist ebenfalls darauf hin, dass die Empfehlungen bezüglich Partizipation und Kommunikation zu schwach sind. Die Kommunikation müsste ausgeglichener werden, d.h. Prodeco sollte Berater für die Gemeinschaften finanzieren, ebenso sollte Prodeco die Erarbeitung eines partizipativen Schliessungsplanes finanzieren. Trust anerkennt, dass das Recht der Gemeinscaften auf Information und Partizipation limitiert ist, geht in den Vorschlägen aber zu wenig weit. Trust hätte Empfehlungen abgeben können, wie Prodeco viel mehr Information über die Auflagen des Umweltmanagementplanes, das Erfüllen derselben, über die Luftqualität etc. auf der Webseite der Firma veröffentlich könnte. Trust weist richtigerweise auch darauf hin, dass die ethnischen Gemeinschaften keine Kenntnisse über die sozialen Investitionen und über Partizipation als Recht hätten. Velandia weist darauf hin, dass nicht nur die ethnischen Gruppen speziell berücksichtigt werden sollten, sondern auch die Campesinos und die Genderfrage. Frauen erleiden Gewalt differenziert, an ihrem Körper und über sexualisierte Gewalt. Zudem sollte Trust aufpassen und gesetzliche Verpflichtungen aus dem Umweltmanagementplan nicht mit freiwilligen CSR-Investitionen verwechseln.

Ein Vertreter von CREER weist darauf hin, dass die fehlenden Entscheidungen des Staates, z.B. ob die Mine geschlossen oder an eine andere Firma übergeben wird, Prodeco behindert hat und ebenfalls zu Unsicherheit und Risiken führten. Stephan Suhner von der ask! entgegnete, dass Glencore gerne in unsicheren und rechtsstaatlich schwierigen Region operiert, und dies nicht immer als Entschuldigung für eigene Fehler und Unterlassung verwenden kann. Vielmehr sollte Trust klarere und stärkere Empfehlungen zu „best practice in Zonen mit schwacher Regierungsführung abgeben. Trust sagte dann von sich aus, dass ein grosses Problem von Prodeco der Verlust von institutionellem Wissen sei, da viele Mitarbeiter gegangen seien und man keine Vorkehrungen für den Wissenserhalt getroffen habe. Das ist ein sehr schlimmer Befund, es zeigt auch hier die völlige Improvisation und wie unsachgemäss Glencore Prodeco den Ausstieg managt. Auch hier sollte Trust wesentlich stärkere Empfehlungen abgeben, wie man solche Ausstiege menschenrechtskonform durchführt. Prodeco hat einen grossen Einfluss auf die Risiken und negativen Auswirkungen mit ihrer Improvisation und den Unterlassungen.

Umsiedlungen und Sicherheit als Herausforderungen

Die kulturellen und sozioökonomischen Folgen der verzögerten Umsiedlung von El Hatillo mit der individuellen Umsiedlung enthält verschiedene Empfehlungen, die aber allesamt sehr schwach sind. Stephan Suhner von der ask! sagte, dass der Umsiedlungsaktionsplan ja ein von beiden Seiten unterzeichnetes Dokument sei, das verbindlich sei, mit Fristen und Verpflichtungen, und das umgesetzt werden sollte. Weiter sei offensichtlich, dass die Unternehmen von Anfang an die individuelle Umsiedlung pushten, da es schneller, einfacher und billiger ist. Trust kritisiert die Verzögerung und Nichtumsetzung der Umsiedlung nur zögerlich zwischen den Zeilen, sonst sind es fast schon neutrale Feststellungen. Ask! schlug vor, die Erfahrung von Plan Bonito beizuziehen, die ja auch individuell umgesiedelt wurden und z.T. schwierige Erfahrungen gemacht hatten. Ebenso gebe es erste Familien aus El Hatillo, die individuelle Lösungen unterzeichneten, jetzt aber zurückgehen nach El Hatillo, weil das Packet nicht ausreicht. Weiter sollten die bisherigen negativen Erfahrungen von El Hatillo selbst berücksichtigt werden, da schon verschiedene Operators versuchten, Projekte aufzuziehen, die aber an den Bedürfnissen, Fähigkeiten und Wünschen der Bevölkerung verbeizielten, da sie nicht rasch Einkommen oder Nahrung produzierten (Fischzucht, wo erst der Gewinn wieder individuell eingesetzt werden sollte) oder finanziell nicht tragbar waren (Futter für Hühner oder Schweine kostet mehr als der Ertrag am Schluss). Ebenso könne auf die Erfahrungen in der Guajira abgestellt werden, wo die Projekte auch nicht nachhaltig seien. Es sollten mehr assoziative Projekte unterstützt werden, der Vereinzelung der Familien entgegen gewirkt werden.

Bei den sozioökonomischen Empfehlungen wurden verschiedene Hinweise gemacht. Es wurde das Argument aufgegriffen, dass assoziative, grössere Projekte gefördert werden sollen. Gemeinschaftsvertreter der Mesa äusserten grosses Misstrauen in das Unternehmen und in die Behörden, sprachen davon, dass sie sich ausgeschlossen fühlen, dass die Gelder und Projekte nie bis zu ihnen kommen würden, sondern viel Geld in Operators und Berater versickere. Auch wurde Cemprende als völliger Misserfolg bezeichnet. Die Kleinstprojekte wurden von den sozialen Führungspersonen ebenfalls als Misserfolg kritisiert. Klar ist auch, dass die sozioökonomischen Vorschläge viel stärker in Absprache mit den Begünstigten erarbeitet und umgesetzt werden sollten. Ana Catalina Herrera von CNV betont, dass Glencore mit Cerrejón weiterhin im Territorium ist und sich nicht einfach so aus der Verantwortung stehlen kann. So könnten ehemalige Arbeiter von Prodeco bei Cerrejón weiter beschäftigt werden. Zudem gibt es weiterhin funktionierende Gewerkschaften im Territorium und diese sollten weiterhin konsultiert werden, um nicht noch schlimmere Auswirkungen zu schaffen. Herrera ist besorgt über die vielen arbeitsrechtlichen Prozesse, die gegen Prodeco offen sind. Die Arbeiter bleiben darüber im Ungewissen.

In Bezug auf die Sicherheit sagte Trust, dass es die Befürchtung gibt, dass durch den Wegzug/die Schliessung von Prodeco sich die Sicherheitslage verschlechtert, oder z.B. die Sicherheitskräfte mit zu viel Gewalt gegen Proteste gegen Prodeco vorgehen könnten. Als Empfehlungen schlugen sie eine Stärkung der Voluntary Principles, mehr Ausbildung in Menschenrechten für die Sicherheitskräfte und Mehrparteien – Gespräche und Analysen über die Sicherheitsrisiken vor, die gegenseitiges Verständnis und Vertrauen stärken sollten. Als erste reagierte Diana Alvarez von Tierra Digna darauf. Sie sieht diese Gespräche als zweischneidiges Schwert. Es sei einerseits eine gute Idee, aber man müsse präsent haben, dass viele der Lideres ganz konkret bedroht seien, und diese Bedrohungen häufig nach derartigen Treffen zunehmen. Wenn soziale Führungspersonen an Treffen mit dem Unternehmen, mit Behörden oder Sicherheitskräften teilnehmen, kommt es danach häufig zu Anrufen, in denen entweder gedroht wird, oder Versprechen/Angebote gemacht werden. Diese Anrufe können sowohl von bewaffneten Gruppen wie auch von Behörden/Unternehmen kommen. Auf jeden Fall scheinen die Informationen, die in angeblich vertraulichen Treffen gegeben werden, den Weg nach draussen schnell zu finden. Alvarez denkt also, dass diese Art von Treffen/Dialogen die Bedrohungssituation durchaus verschlimmern könnte. Hilda Arrieta vom Frauennetzwerk El Paso spricht sehr emotional, unter Tränen, von ihren eigenen Bedrohungen, wie sich niemand um sie kümmere, sie sich alleine und ungeschützt fühle. Sie bestätigt, dass Infos über Treffen an Konfliktakteure gelangen und dann für Drohungen genutzt werden. Wenn sie z.B. an einem Treffen mit Polizei oder Armee teilnehmen würde, könnten illegale Akteure sie als Verräterin (sapo) sehen. Der Vertreter der Asamblea Campesina sagte, dass die Präsenz der Sicherheitskräfte die Lage eher verschlimmert statt verbessert. Immer wieder komme es vor, dass die Sicherheitskräfte mit den kriminellen Banden z.B. bei Viehdiebstahl zusammenarbeiten. Daher sei es in Territorien ohne staatliche Sicherheitskräfte häufig ruhiger. Stephan Suhner merkt dann an, dass diese freiwilligen Instrumente ein Grundproblem haben, dass sie auf der Annahme beruhen, dass die Unternehmen in gutem Glauben handeln und sich verbessern wollen, dies aber längst nicht immer klar ist. Es herrscht grundsätzlich kein Vertrauen in diese Instrumente, in die menschenrechtlichen Folgeabschätzungen und in die Beschwerdemechanismen. Viele Führungspersonen würden deshalb diese Instrumente nicht nutzen oder an Studien nicht teilnehmen. Sie sagen: Warum soll ich meine Probleme, Konflikte und Drohungen der Firma erzählen, die ja hinter meinen Bedrohungen steht? In der Guajira sei es Suhner nicht möglich gewesen, unter den GemeinschaftsführerInnen mit denen ask! zusammenarbeite, jemanden zu finden, der die Arbeit von Trust kenne. In dem Sinne seien die drei Sozialisierungsrunden zu Prodeco ein gewisser Fortschritt, da internationale und nationale NGO sowie GemeinschaftsvertreterInnen gemeinsam Feedback geben. Der Aufwand dafür sei allerdings gross gewesen, für ein doch bescheidenes Resultat. Trust merkte an, dass der Einflussbereich von Cerrejón in der Guajira viel grösser sei und es möglich sei, dass nicht alle Interessensgruppen erreicht worden seien. Diese Rückmeldungen von uns allen seien aber sehr wichtig, diese würden in den Bericht einfliessen. Noch im April werden sie den Bericht an Prodeco abliefern, bis Ende April oder im Mai sollte der Bericht und der Aktionsplan durch Prodeco veröffentlicht werden.

 

[1] Diese „Mesa“ umfasst 12 Gemeinschaften und soziale Prozesse im Einflussbereich von Prodeco sowie die beiden Gewerkschaften und wird von Tierra Digna juristisch begleitet.

[2] Mit diesem Urteil wurde die Durchführung breiter Dialogforen angeordnet, in denen der Schliessungsplan und mögliche Einkommensalternativen hätten diskutiert werden sollen, um die Rechte der Gemeinschaften auf Information und Partizipation zu garantieren. Bis heute hat Prodeco dieses Urteil nicht umgesetzt.