Rückzug der Beschwerde gegen Glencore vor dem Nationalen Kontaktpunkt für die OECD Leitsätze
Anfang 2021 unterstützte die ask! zusammen mit Christian Aid, CAJAR, AIDA, CINEP und ABColombia das Global Legal Action Network (GLAN) beim Einreichen einer Beschwerde gegen Glencore beim Nationalen Kontaktpunkt der OECD in der Schweiz wegen Nichteinhalten der OECD Leitsätze für Multinationale Unternehmen. Diese Leitsätze legen Mindeststandards für multinationale Unternehmen fest und müssen von allen OECD-Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Dazu gehören die Achtung der Menschenrechte, die Vermeidung negativer Umweltauswirkungen und die Offenlegung diesbezüglich relevanter Geschäftsinformationen. Die Einhaltung der Leitsätze durch die Unternehmen unterliegt in allen OECD-Ländern der staatlichen Aufsicht durch die Nationalen Kontaktpunkte (NKP).
In dieser Beschwerde erläuterten die NGOs wie Glencore die in den Leitsätzen festgelegten Mindeststandards in Kolumbien, in ihrer Kohlenmine Cerrejón, nicht einhalte und dadurch negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt verursache. Ähnliche Beschwerden wurden auch in Australien und Grossbritannien gegen BHP und Anglo American eingereicht, die vor dem Verkauf ihrer Anteile an Glencore bis 2021 je einen Drittel der Mine besassen.
In den Beschwerden wird dargelegt, wie die Cerrejón-Mine, eine der größten Tagebauminen der Welt, mit der Zwangsvertreibung indigener und afrokolumbianischer Gemeinschaften und der weit verbreiteten, anhaltenden und extremen Verschmutzung von Luft und Wasser in der Umgebung der Mine in Verbindung gebracht wird. Der Gebrauch von Wasser und die Umleitung von Gewässern durch die Mine haben weiter zu Wasserknappheit für die lokale Bevölkerung und für die Landwirtschaft geführt. Das kolumbianische Verfassungsgericht hat zum Beispiel festgestellt, dass im Blut der Anwohner hohe Konzentrationen schädlicher Metalle vorhanden sind, die Krankheiten wie Krebs verursachen können. In den Beschwerden wird darauf hingewiesen, dass Cerrejón den Bestimmungen mehrerer Gerichtsurteile in Kolumbien nicht nachgekommen ist.
Nach fast zwei Jahren haben sich nun GLAN und die unterstützenden NGO Ende 2022 aus diesem Verfahren zurückgezogen und werden sich an keiner Mediation mit Glencore beteiligen: In den Diskussionen mit dem NKP wurde immer klarer, dass der NKP ungenügend den Asymmetrien zwischen dem Unternehmen einerseits und den NGO und lokalen Gemeinschaften andererseits entgegenwirken wolle. So war es für uns beispielsweise von entscheidender Bedeutung, dass die indigenen Wayúu und afrokolumbianischen Gemeinschaften, die von den Bergbauaktivitäten von Glencore betroffen sind, in der Mediation mit dem Unternehmen eine Stimme haben. Wir schlugen dem NKP verschiedene Mechanismen vor, um dies zu ermöglichen. Unsere Vorschläge wurden aber abgelehnt. Zudem gewährte der Schweizer NKP nicht allen NGOs den gleichen Zugang zu wichtigen Dokumenten. Der NKP hat so entgegen den OECD-Leitsätzen die Beteiligung der NGO am Verfahren und an der Mediation unnötig erschwert. Der Schweizer NKP war in der Vergangenheit bereits mit ähnlicher Kritik konfrontiert. Marcos Orellana, UN-Sonderberichterstatter für toxische Substanzen und Menschenrechte, sagte im 2022 über einen anderen Fall der vom Schweizer NKP bearbeitet wurde, dass dieser “einen schlechten Präzedenzfall geschaffen hat, der die Schwächen der nationalen Kontaktstellen für die OECD-Leitsätze unterstreicht”. Indem er die Asymmetrien zwischen den Parteien fördert, trägt der Schweizer NKP zur Straflosigkeit von Glencore – einem Unternehmen mit einer dokumentierten Geschichte von schwerwiegenden Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit seinen globalen Aktivitäten – und anderen multinationalen Unternehmen dieser Art bei und wird Teil des Problems und nicht der Lösung.
Obwohl die Leitsätze für Unternehmen freiwillig sind, verpflichten sich Länder, die ihnen beitreten, sie verbindlich umzusetzen. Das Versäumnis der Schweiz, auf diese Beschwerde einzugehen und ihren Aufgaben und Verpflichtungen nachzukommen, deutet darauf hin, dass sie Missbräuche und Verstöße gegen internationale Menschenrechtsstandards durch Unternehmen duldet. Während es für die Gemeinschaften keine Garantien gibt, dass Glencore für die Verstöße ihrer Tochterfirma Carbones del Cerrejón in der Schweiz zur Verantwortung gezogen werden kann, macht dieser multinationale Konzern von seinen Garantien als Investor Gebrauch, die im zwischen Kolumbien und der Schweiz unterzeichneten Abkommen zum Schutz ausländischer Investitionen enthalten sind. Glencore hat den kolumbianischen Staat wegen eines Gerichtsurteils verklagt (siehe Case Details | ICSID (worldbank.org), das die Menschenrechte des Wayúu-Volkes schützt.
Diese außergerichtlichen Mechanismen wie die Verfahren vor den NKPs sind klar unzureichend, um multinationale Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Fälle wie dieser verdeutlichen die Notwendigkeit verbindlicher Sorgfaltspflichtgesetze und eines verbindlichen internationalen Abkommens über Wirtschaft und Menschenrechte, die in der Lage sind, transnationale Unternehmen für Missbräuche zur Rechenschaft zu ziehen.