Ein neuer Bericht fordert, dass Glencore seine Klage gegen Kolumbien in Zusammenhang mit der Kohlemine El Cerrejón zurückzieht, einen verantwortungsvollen Schliessungsplan vorlegt und einen Fonds für Umweltsanierungen einrichtet. Der Druck wächst, auch das Investitionsschutzabkommen mit der Schweiz nachzubessern.

Drei Vertreterinnen kolumbianischer NGOs und Gemeinschaften machten letzte Woche in der Schweiz Halt, um die Machenschaften von Glencore anzuprangern. Der Schweizer Konzern ist alleiniger Eigentümer der Kohlemine Cerrejón, dem grössten Tagebau Lateinamerikas. Carolina Matiz von CINEP, Tatiana Cuenca von Censat Agua Viva und Greylis Pinto, Vertreterin der nahe der Mine lebenden Gemeinschaft Chancleta, beendeten damit eine dreiwöchige Tour, die sie durch die Schweiz, Belgien, Deutschland, die Niederlande und Dänemark geführt hatte.

Sie legten Regierungen, Vertreter:innen der Zivilgesellschaft und Finanzinstituten den neuen Bericht «Does Cerrejón always win?» vor, der das unrühmliche Verhalten des Minenbetreibers in Guajira, dem ärmsten kolumbianischen Departement, in den letzten 40 Jahren offenlegt. In diesem wüstenähnlichen Landstrich, der vom afrikanischstämmigen Volk der Wayuu und von Kleinbauern bewohnt wird, ist der Bergbau für die Austrocknung von 17 Flüssen, die Umsiedlung von 25 Gemeinschaften und den Tod von 5’000 Wayuu-Kindern verantwortlich: Sie sind in den letzten zehn Jahren entweder verhungert oder verdurstet.

Greylis Pinto berichtete, wie ihre afrokolumbianische Gemeinschaft vor elf Jahren zwangsumgesiedelt wurde, ohne die entsprechenden internationalen Standards zu respektieren. Die Menschen lebten von Landwirtschaft, Viehzucht und Jagd. Doch an ihrem neuen Standort ist weder Land noch Wasser verfügbar und ihre Traditionen und Bräuche gingen verloren. Bis heute werden die Gemeinschaftsmitglieder in Sozialprogrammen nicht berücksichtigt, haben kein festes Einkommen und keine Perspektiven.

Keines von zwölf Urteilen des Verfassungsgerichts umgesetzt

Das kolumbianische Verfassungsgericht hat zwölf Urteile zugunsten der lokalen Gemeinschaften erlassen, von denen jedoch keines vollumfänglich umgesetzt wurde. Zu gross ist die Angst vor astronomischen Entschädigungszahlungen, die der multinationale Konzern in einem Fall bereits gefordert hat. Das letzte dieser Urteile aus dem Jahr 2017 verlangt von Glencore die Rückleitung des Arroyo Bruno (eines Nebenarms des wichtigsten Flusses der Region, Rio Rancheria) in sein ursprüngliches Bett, bis glaubwürdige Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt worden sind. Als Reaktion darauf reichte Glencore auf der Grundlage des Investitionsschutzabkommens zwischen Kolumbien und der Schweiz Klage gegen Kolumbien ein. Es ist dies bereits die dritte laufende Klage des in Zug ansässigen Unternehmens gegen Kolumbien, wobei die Höhe der geforderten Entschädigung unbekannt ist. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass Glencore eine vierte Klage eingereicht hat; diesmal geht es vermutlich um die Prodeco-Mine.

Der Bericht der kolumbianischen Organisationen fordert:

  • den Rückzug der Glencore-Klage gegen Kolumbien im Zusammenhang mit der Umleitung des Arroyo Bruno;
  • einen verantwortungsvollen Schliessungsplan unter Beteiligung der lokalen Gemeinschaften und die Einrichtung eines Fonds für Umweltsanierungen. Dieser Fonds soll dazu dienen, das Ökosystem wiederherzustellen, die Opfer zu entschädigen und ihre erlittenen Schäden durch öffentliche Massnahmen zu anerkennen. Die derzeitige Konzession läuft 2034 aus und es besteht das Risiko eines Ausstiegs von Glencore, ohne den Verpflichtungen nachzukommen. Dies war beispielsweise bei der Kohlemine von Prodeco in der benachbarten Region Cesar der Fall, wo dem kolumbianischen Staat die Bürde der Umweltsanierung in einem hochgradig konfliktträchtigen Umfeld überlassen wurde;
  • das Ende der Finanzierung von kolumbianischen Kohleminen durch Finanzinstitutionen oder dass diese ihren Einfluss geltend machen, damit die Minenbetreiber die Menschenrechte und die Umwelt respektieren.

Der internationalen Mission, die im Mai 2023 nach Kolumbien gereist war und der auch Alliance Sud angehörte, kündigte die kolumbianische Regierung die Neuverhandlung all ihrer Investitionsschutzabkommen an, angefangen beim Abkommen mit der Schweiz. Die Neuverhandlungen wurden bereits aufgenommen. Die NGOs fordern insbesondere den Ausschluss des Investor-Staat-Streitschlichtungsmechanismus (ISDS) aus dem neuen Abkommen. Dieser Mechanismus ermöglicht es einem ausländischen Unternehmen, gegen den Gaststaat zu klagen, wenn dieser regulatorisch dafür sorgt, dass der Umweltschutz und die Menschenrechte eingehalten werden.

Bleibt der ISDS Teil des Abkommens, besteht die Gefahr, dass die Unternehmen immer gewinnen – egal wie ihre Umwelt- und Menschenrechtsbilanz aussieht. Wie im Fall von Glencore.

Bericht auf Englisch: Does Cerrejón Always Win? Between corporate impunity for human rights violations and the search for comprehensive reparation in times of transition – CINEP/PPP

Bericht auf Spanisch: ¿Cerrejón siempre gana? Entre la impunidad corporativa por la violación de derechos humanos y la búsqueda de reparación integral en tiempos de transición – CINEP/PPP