Musterprozess gegen ehemals grössten kolumbianischen Goldexporteuer wegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung vor Gericht gescheitert

Jul 1, 2022

Von Stephan Suhner

Nach mehrjährigen Untersuchungen hatte die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft alles bereit, um gegen den Geschäftsführer der Goldexportfirma CIJ Gutiérrez, gegen mehrere Angestellte und gegen Lieferanten Anklage wegen Geldwäsche und Finanzierung von illegalen Strukturen zu erheben. Die Richterin Claudia Patricia Vázquez befand jedoch am 28. Oktober 2020, dass die Staatsanwaltschaft in den Einvernahmen die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllte, da sie die juristisch relevanten Tatbestände, die sie den  beschuldigten Personen vorwarf, zu wenig klar und genau darlegte. Somit fiel der angestrebte Prozess in sich zusammen und die Beschuldigten kamen frei. Noch immer ist unklar, ob nun ein neuer Prozess zustande kommt oder nicht.  

Im April 2019 hatte die Staatsanwaltschaft nach mehrjährigen Untersuchungen mehr als 100 Kilogramm Gold und 600 Kilogramm Silber beschlagnahmt, CIJ Gutierrez durch die Justizpolizei besetzen lassen und sie unter Zwangsverwaltung gestellt. Dem Unternehmen CIJ Gutiérrez wurde vorgeworfen, Gold im Wert von 2.4 Billionen Pesos gewaschen zu haben, dessen Erlös nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den kriminellen Gruppen zu Gute kam, da die Lieferanten von CIJ Gutiérrez in Gebieten tätig sind, die Probleme mit der öffentlichen Ordnung haben. Bei der Goldschmelze und Exportfirma CIJ Gutiérrez handelt es sich um ein Traditionsunternehmen und um einen der grössten Goldexporteure Kolumbien, der auch die Schweizer Raffinerie Argor Heräus belieferte. Dementsprechend gross war das Interesse an diesem Prozess.   

Mit ihrem Entscheid hat die Richterin alle Haftanordnungen und sonstigen Freiheitsbeschränkungen gegenüber den 13 Verdächtigten aufgehoben, wie auch alle vorsorglichen Massnahmen gegen die Besitztümer der Personen und des Unternehmens. Die Richterin ordnete an, den ganzen Prozess der Staatsanwaltschaft bis zur Anklageerhebung neu aufzurollen. Es lag dann an der Staatsanwaltschaft, zu entscheiden, ob sie das Verfahren wieder aufnimmt oder die Untersuchung schliesst.[1] Die Richterin sagte, dass die Anklageschrift nicht klar sei in Bezug auf die Taten, für die die 13 involvierten Personen angeklagt werden, daher sei deren Recht auf Verteidigung und auf einen fairen Prozess unrechtmässig eingeschränkt worden. Zudem sein die Beschreibung der juristisch relevanten Vorfälle unklar. Journalisten der Zeitung El Espectador fanden heraus, dass die Richterin schon länger die Staatsanwaltschaft auf Schwachstellen hinwies. Die Entscheidung der Richterin führte zu grosser Unruhe bei der Staatsanwaltschaft.

2020 wurde vier Mal versucht, Anklage zu erheben, aber wegen der Qualitätsmängel der Anklageschrift und wegen Corona musste sie immer wieder verschoben werden. Ein Problem war auch, dass der zuständige Staatsanwalt immer wieder änderte. Es zirkulierten auch Gerüchte, dass die Anklageschrift absichtlich mangelhaft verfasst wurde, und dass korrupte Staatsanwälte oder solche, die von US-Agenten geschützt werden, dahinterstehen. Der Strafverteidiger von CIJ Gutiérrez sagte, es habe Druck von weit oben in der Generalstaatsanwaltschaft gegeben, damit es zur Anklage komme, und dass die Angeklagten mehrfach angeboten hätten, Fehler und Unklarheiten der Anklageschrift zu klären. Anscheinend habe der zuständige Staatsanwalt dazu nicht Hand geboten.[2] Nachdem das Gericht die Anklageschrift ein erstes Mal zurückgewiesen hatte, überlegte sich das Unternehmen CIJ sogar, eine Klage auf Entschädigung wegen Rufmord und daraus entstandenem finanziellen Schaden einzureichen.

In der Zwischenzeit war bekannt geworden, dass ein mit der Anklage befasster Staatsanwalt namens Rojas denunziert hatte, er sei gezwungen worden, Anklage zu erheben, ohne dass es genügende Beweise gegeben habe. Er beschuldigte die damalige Direktorin der Abteilung für Geldwäsche, Luz Angela Bahamón, hinter dem Druck zu stehen. Die zuständige Staatsanwältin Luz Angela Bahamón liess jedoch nicht locker und erhob Mitte Januar 2022 erneut Anklage gegen die Verantwortlichen von CIJ Gutiérrez. Die Anklageschrift wurde in einigen Punkten überarbeitet und Bahamón legte Beweise vor, die die Aussagen des ihr unterstellten Staatsanwaltes wiederlegen sollten. Einerseits legte der Bahamón unterstellte Staatsanwalt Rojas einen Mitschnitt eines Gesprächs mit Luz Angela Bahamón vor, mit dem er den Druck auf ihn beweisen wollte. Bahamón ihrerseits legte Chatprotokolle vor, die das Gegenteil beweisen sollen und sagte, der Mitschnitt des Staatsanwalts sei illegal gewesen, da er das Prozessgeheimnis verletzt habe. Die Verwaltungsaufsicht untersucht nun diese vermuteten Druckversuche und illegalen Beweismittelbeschaffungen. Der Anwalt der Goldschmelze CIJ Gutiérrez beantragte auch, die Rolle des früheren Generalstaatsanwaltes Nestor Martínez wegen vorverurteilenden Aussagen zu untersuchen. Er fügte bei, er hoffe dass das Ansehen der Justiz nicht nochmals wegen unnötigen Festnahmen beschmutzt werde.[3]       

Doch schon Mitte Februar 2022 fiel die Anklage erneut in sich zusammen. Auch die neue Richterin befand, dass die Beweisführung der Staatsanwaltschaft unklar sei. So sei es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen aufzuzeigen, was die Rolle der einzelnen untersuchten Personen im Netzwerk der Geldwäsche war. Die Richterin sagte, sie habe vermisst, dass die Organisationsstruktur und die Verantwortung der einzelnen Personen für die Delikte detailliert dargelegt werden. Aus den Ausführungen der Staatsanwaltschaft bei der erneuten sechstägigen Anhörung müsse geschlossen werden, dass die beim ersten Mal gerügten Mängel in der Anklageschrift nicht geheilt worden seien. Zudem seien die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft zu wenig präzise gewesen. So habe die Staatsanwaltschaft zwar dargelegt, dass es legale wie auch illegale Geschäfte und Transaktionen gegeben habe und dass die illegalen die legalen kontaminierten, die Staatsanwaltschaft habe aber nicht ausführen können, welches die illegalen und welches die legalen Gelder gewesen seien.[4] Die Staatsanwaltschaft vertrat die Meinung, dass sie die Anforderungen des Gerichts sehr wohl erfüllt und Jahr für Jahr die Geldflüsse detailliert aufgezeigt hätte. Die Staatsanwaltschaft zog den Fall weiter und will an der Anklage festhalten. Was seit Februar 2022 gelaufen ist, ist unklar.[5]   

Das Augenmerk hat sich immer mehr vom Fall Gutiérrez auf den Fall Bahamón verlagert. Gegen Luz Angela Bahamón laufen zur Zeit verschiedene Untersuchungen in der Staatsanwaltschaft selbst und auch bei der Verwaltungsaufsicht (Procuraduria). Ihr werden Machtmissbrauch und Beeinflussung von Verfahren in mehreren Fällen vorgeworfen. Bahamón gilt als Protegée von Ex-Generalstaatsanwalt Nestor Martinez und vom aktuellen Generalstaatsanwalt Francisco Barboso. Martinez habe Resultate verlangt, Bahamón habe dann Druck auf die Staatsanwälte ausgeübt. Es gibt stimmen, die sagen, Bahamón habe den Schutz von Martinez und Barbosa für Manipulationen ausgenützt. Innerhalb der Generalstaatsanwaltschaft wird bestätigt, dass der Kampf gegen kriminelle Organisationen und deren Finanzflüsse eine Priorität  unter Nestor Martinez war. Es seien Resultate von den Staatsanwälten verlangt worden, es habe aber keinen unstatthaften oder illegalen Druck oder Manipulationen gegeben.

Fazit der ask!

Aufgrund der Zeitungsberichte ist nicht wirklich klar, wo die Probleme liegen. Hinter dem Fall Gutiérrez stecken unzählige starke und widersprüchliche Interessen. Wer welche Interessen vertritt und den Fall pushen oder behindern will, ist schwer zu sagen. Die ask! hatte mit Luz Angela Bahamón in der Vergangenheit telefonisch Kontakt und eigentlich ein gutes Bauchgefühl. Es dürfte viele mächtige Personen geben, die kein Interesse daran haben, dass CIJ rechtskräftig verurteilt und das Vorgehen zur Goldlegalisierung damit bewiesen wird. Verschiedene Recherchen von NGOs und Medien haben jedoch schon sehr detailliert und überzeugend dargelegt, wie die Legalisierung von illegalem und von Konfliktgold funktioniert. Verschiedene Beobachter des Falles äusserten gegenüber der ask!, dass sie sicher sind, dass CIJ Gutierrez Gold legalisiert hat, das aber auch klar ist, dass viel Energie darauf verwendet wird, dass der juristische Prozess scheitert und die Verantwortlichen freigesprochen werden.

Der illegale Goldabbau durch bewaffnete Gruppen, Mafias und Raubritterunternehmer war in den letzten 20 Jahren ein riesiges Thema, zerstörte grosse Waldflächen, verschmutzte Flüsse, vertrieb Personen und finanzierte den Krieg. Verschiedene Goldexportunternehmen tauchten fast aus dem Nichts auf und handelten mit grossen Goldmengen, verschwanden z.T. aber auch nach ein paar Jahren wieder. Ein Beispiel war Goldex, gegen die ebenfalls ein Verfahren angestrengt wurde. CIJ Gutierrez war dagegen ein traditionelles Familienunternehmen mit einer 140-jährigen Geschichte, weshalb da weniger kriminelle Machenschaften vermutet wurden. Bis heute ist noch kaum ein Fall juristisch aufgearbeitet, obwohl die Legalisierungsschemas und der illegale Ursprung eines Grossteils des Goldes klar sind. Dass die Beweisführung entweder so schwierig ist oder eine allfällige Anklage von hohen Regierungs- oder Justizstellen beeinflusst wurden, wirft kein gutes Licht auf das Ganze. Der Goldexport hat? Seine Struktur in den letzten 5 Jahren grundlegend verändert. Viele der früheren Exportfirmen existieren nicht mehr, auch viele Zollfreigebiete spielten nur kurz eine Rolle und das Gold fliesst in neue Importländer wie Indien. Heute scheint ein viel grösserer Anteil des Goldes von multinationalen Konzernen produziert und exportiert zu werden. Gemäss verschiedenen Beobachtern hat der illegale, umweltzerstörerische Goldraubbau aber nicht abgenommen. Wohin das Gold wie fliesst, ist aber unklarer als je zuvor. Die lokale Bevölkerung und die Umwelt sind die grossen Leidtragenden. Eine juristische Aufarbeitung und eine dezidiert andere Politik, die kleine Goldschürfer und Kooperativen unterstützt, sind notwendig (siehe auch Interview mit Carlos Morales in diesem Newsletter). Die neue Regierung von Gustavo Petro kann dazu vielleicht erste Schritte unternehmen. Eine saubere juristische Aufarbeitung, auch mit Angaben wieviel illegales Gold wohin exportiert wurde, wäre auch aus Schweizer Sicht wünschenswert. Die Raffinerie Argor Heräus, die grosse Mengen an Gold von CIJ Gutierrez bezog, musste bisher nicht gerade stehen für den allfälligen Kauf von Konfliktgold und konnte sich bezüglich unserem Verdacht einer sehr mangelhaften Sorgfaltspflicht herausreden. Trotz dem nach heutigem Stand gescheiterten Gerichtsverfahren gegen CIJ Gutiérrez ist die ask! weiterhin überzeugt, dass illegal gewonnenes Konfliktgold auch in die Schweiz kam und die Massnahmen von Argor Heräus zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht ungenügend waren.

 

[1] https://www.elcolombiano.com/colombia/no-imputaran-a-cij-gutierrez-y-su-representante-legal-JJ13929716, 28. Oktober 2020.

[2] https://www.elespectador.com/noticias/judicial/jueza-anulo-la-actuacion-de-la-fiscalia-en-caso-de-la-exportadora-de-oro-cij-gutierrez/ , 31. Oktober 2020.

[3] El Tiempo, Resucita proceso contra poderosos zares del oro, 24. Januar 2022, in: https://www.eltiempo.com/unidad-investigativa/c-i-j-gutierrez-imputacion-revive-caso-contra-comercializadora-de-oro-646648

[4] El Espectador, A la Fiscalía se le vuelve a caer el caso de poderosa comercializadora de oro, 15. Februar 2022, in: https://www.elespectador.com/judicial/a-la-fiscalia-se-le-vuelve-a-caer-el-caso-de-la-poderosa-comercializadora-de-oro/

[5] Semana, Fiscalía insistirá en imputación contra la fundidora de Oro, CIJ Gutiérrez, 15.2.2022, in: https://www.semana.com/nacion/articulo/fiscalia-insistira-en-imputacion-contra-la-fundidora-de-oro-cij-gutierrez/202222/