Pressefreiheit unter Druck
Von Fabian Dreher
2018 haben die Angriffe auf JournalistInnen und damit auf die Pressefreiheit in Kolumbien zugenommen. Die kolumbianischen Institutionen nehmen ihre Verantwortung für die Meinungs- und Pressefreiheit nur ungenügend wahr, weiterhin ungenügend ist ebenfalls die Strafverfolgung von Gewalt gegen JournalistInnen. Mit der Meinungs- und Pressefreiheit sind grundlegende Pfeiler der Demokratie in Kolumbien weiterhin unter Druck.
Im vergangenen Jahr haben die Angriffe auf die Pressefreiheit in Kolumbien zugenommen. Mit 477 Angriffen registriert die NGO Fundación Para la Libertad de Prensa (FLIP)[1] den höchsten Wert seit 2006. Gegenüber 2017 haben die Angriffe um 53 Prozent zugenommen, gegenüber 2016 sogar um 120 Prozent. Auf Grund der Gewalt haben im Juli 2018 19 Botschaften und internationale Organisationen mit einer Medienmitteilung ihrer Sorge um die Gewalt gegen JournalistInnen in Kolumbien Ausdruck verliehen. Besonderes Augenmerk verdient die Ermordung von drei Mitarbeitenden der ekuadorianischen Tageszeitung El Comercio im Grenzgebiet durch die dissidente FARC-Einheit Frente Óliver Sinisterra.
Generell hat das im Jahr 2000 von der Regierung geschaffene Programm zum Schutz von Journalisten zu weniger Morden an Medienschaffenden geführt. Heute zeigen sich jedoch deutlich die Grenzen des Programms, strukturelle Reformen wären dringend notwendig, um die Pressefreiheit besser zu schützen. Die Angriffe gegen die Pressefreiheit sind heute zwar weniger tödlich, Entführungen, Drohungen, Angriffe durch Behörden und Justiz, Zerstörung und Beschlagnahmung von Recherchematerial, Anklagen und Zwangsvertreibungen sind jedoch weiterhin an der Tagesordnung. Der kolumbianische Staat unternimmt bis heute zu wenig für den Schutz von JournalistInnen. Bis heute nehmen PolitikerInnen wie BehördenvertreterInnen Medienschaffende als „Feinde“ oder GegnerInnen“ wahr und versuchen diesen so viele Hindernisse wie möglich in den Weg zu legen. Dadurch werden auch Angriffe auf die Pressefreiheit gerechtfertigt.
Über die Hälfte (256) der 477 Angriffe auf die Pressefreiheit 2018 waren Drohungen gegen Journalistinnen und Journalisten. Darauf folgen Behinderungen der journalistischen Arbeit mit 66 Fällen, Belästigungen und Einschüchterungen mit 53 Fällen, gerichtliche Schikanen mit 51 Fällen und 28 Fälle von Stigmatisierung. In vier Fällen wurden Medienschaffende entführt, in 43 Fällen wurde physische Gewalt gegen JournalistInnen ausgeübt und drei Personen wurden ermordet. In 105 Fällen gingen die Angriffe von BeamtInnen aus, in 36 Fällen von den staatlichen Sicherheitskräften. Auch illegale bewaffnete Organisationen üben weiterhin regelmässig Gewalt gegen JournalistInnen aus. Generell sind zwar eher ländliche Gebiete von Angriffen auf die Pressefreiheit bedroht, am meisten Fälle (148) haben sich aber 2018 in Bogotá ereignet. Darauf folgen Antioquia mit 38 Fällen, Norte de Santander (29), Tolima (29) und Valle del Cauca (20).
Aktuell erhalten 172 JournalistInnen Schutzmassnahmen von der Nationalen Schutzeinheit (UNP), 58 JournalistInnen wurden die Schutzmassnahmen 2018 gestrichen. Zu den Schutzmassnahmen gehören je nach Bedrohungslage schusssichere Westen, Notfalltelefone, gepanzerte Fahrzeuge und Bodyguards. Die Schutzmassnahmen der UNP werden aber in vielen Bereichen als ungenügend beurteilt. Auch hier sind strukturelle Reformen notwendig. Zudem erhält die UNP weiterhin nicht genügend Mittel, um ihrem Auftrag im Sinne des Gesetzes nachzukommen.
Schockierend ist die Straflosigkeit der Gewalt gegen Medienschaffende. Obwohl die Staatsanwaltschaft Fortschritte bei der Untersuchung von Gewalttaten gegen JournalistInnen macht, werden heute nur die wenigsten TäterInnen identifiziert oder gar verurteilt. Von 158 ermordeten JournalistInnen seit 1977 wurden nur gerade in einem Fall sämtliche Täter zur Verantwortung gezogen. In vier weiteren Fällen wurden wenigstens die Drahtzieher verurteilt, in 28 Fällen die direkten Täter. In 125 Fällen wurde jedoch bis heute niemand verurteilt, die Straflosigkeit liegt entsprechend beinahe bei 80 Prozent.
Die Gewalt gegen JournalistInnen ist eine direkte Gefahr für die Pressefreiheit und damit für die Demokratie. Auf Grund von Angriffen und Gewalt gegen Medien und Medienschaffende gibt es in vielen Regionen keine unabhängige Berichterstattung. Mehr als 8,7 Millionen KolumbianerInnen, über 27 Prozent der Bevölkerung leben in Gebieten ohne unabhängige Medien.
Auch im kolumbianischen Kongress kommt es immer wieder zu Angriffen auf die Pressefreiheit. So zählte FLIP 2018 acht Gesetzesvorschläge die die Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit zum Ziel hatten. Eines der beliebtesten Mittel zur Bekämpfung der Presse sind weiterhin Justizschikanen. JournalistInnen werden mit Klagen, Anzeigen und Untersuchungen bedroht und an ihrer Arbeit gehindert. Insbesondere Angehörige staatlicher Behörden und PolitikerInnen bedienen sich gerne und oft dieser Mittel.
Der Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit ist grundlegend für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft. Entsprechend ist dieser Schutz Aufgabe aller staatlichen und demokratischen Institutionen. Zudem braucht es eine aktive Zivilgesellschaft sowohl in Kolumbien wie auch international, die die Missstände aufdeckt, benennt und die institutionellen Akteure an ihre Verantwortung erinnert.
[1] Jahresbericht 2018 FLIP: https://flip.org.co/micrositios/informe-2018/descargas/informe-anual-2018.pdf