Bericht: Verbreitung und Aktivitäten der Paramilitärs im Jahr 2016
Von Fabian Dreher
Zum zwölften Mal in Folge publiziert die kolumbianische NGO Indepaz ihren Bericht über die paramilitärischen Gruppierungen in Kolumbien. Die Resultate lassen auch 2016 keine Entwarnung zu. Die Paramilitärs sind weiterhin im ganzen Land aktiv. Zur Kontrolle grosser Gebiete des Landes stehen ihnen bedeutende finanzielle Mittel aus dem Drogenanbau und -handel sowie dem illegalen Abbau von Rohstoffen zur Verfügung.
Seit 2006 publiziert die NGO Indepaz (Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz) jährlich einen ausführlichen Bericht über die Verbreitung paramilitärischer Gruppierungen in Kolumbien sowie deren Aktivitäten im jeweiligen Berichtsjahr[1]. Die neue Bezeichnung durch die Regierung der Bacrim (Bandas Criminales) als Grupos Armados Organizados (GAO) ändert auch im Jahr der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der Regierung Kolumbiens und den FARC nichts an der Bedrohung dieser Gruppierungen für Zivilbevölkerung, KleinbäuerInnen, MenschenrechtsverteidigerInnen und sozialen Führungspersonen.
Die Übersichtskarte sowie die zugehörige Statistik über die Verbreitung und Intensität paramilitärischer Aktivitäten lassen keinen Zweifel, dass weiterhin grosse Landstriche Kolumbiens von diesen Organisationen kontrolliert werden. In den Departementen Córdoba, Cesar, Sucre, Chocó, Antioquia, Vichada, Meta, Valle, Bolívar, Cauca, La Guajira und Magdalena sind jeweils über 50 Prozent der Gemeinden von paramilitärischen Aktivitäten betroffen. Insbesondere in den Departementen Nariño, Valle del Cauca und Cesar gab es 2016 starke Veränderungen der vom Paramilitarismus betroffenen Gebiete.
Gemäss dem Bericht waren paramilitärische Gruppierungen 2016 in 344 Gemeinden in insgesamt 31 Departementen aktiv, ein leichter Rückgang gegenüber 2014 und 2015. Indepaz zählt heute 13 verschiedene paramilitärische Organisationen. Dazu gehören einerseits Nachfolgeorganisationen der 2006 demobilisierten Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) wie der Clan del Golfo und die Águilas Negras, andererseits aber auch regionale Paramilitärs wie Nuevo Orden oder Nuevo Renacer AUC.
Die neoparamilitärischen Organisationen finanzieren sich aus unterschiedlichen Quellen. An erster Stelle stehen dabei Drogenproduktion und -handel: Anbau und Kontrolle der Anbaugebiete, Labors, Handelsrouten und -infrastruktur, Verstecke, etc. In den vergangenen Jahren häufen sich jedoch die Berichte, wonach der illegale Abbau von Rohstoffen, insbesondere von Gold und Edelsteinen, dem Drogenhandel den Rang abläuft[2]. Wie dem auch sei, beide Geschäftsfelder sind weiterhin äusserst lukrativ. Daneben tragen auch Menschenschmuggel, private Sicherheitsdienste, Geldwäscherei und Schmuggel zur Finanzierung der Paramilitärs bei.
Die offiziellen Zahlen zu den GAO sind deutlich tiefer, als der vorliegende Bericht von Indepaz ausweist. Dies auf Grund unterschiedlicher Definitionen und Erhebungen. Allerdings sind sich bereits die staatlichen Stellen bei ihren Erhebungen nicht einig. So führt das Büro des Ombudsmannes für Menschenrechte (Defensoría del Pueblo) die Organisation Los Rastrojos als aktive GAO an, das Verteidigungsministerium jedoch nicht. Die Untersuchung von Indepaz konnte jedoch verschiedene Aktivitäten 2016 auf diese Gruppierung zurückführen.
Das Friedensabkommen zwischen der Regierung und den FARC wurde erst gegen Ende 2016 unterzeichnet und trat erst am 1. Dezember 2016 in Kraft. Die Friedensverhandlungen mit der ELN haben erst im Februar 2017 richtig begonnen. Es wäre deswegen verfrüht, bereits eine Bilanz über die Entwicklung der Gewalt in Kolumbien im Rahmen des Friedensprozesses zu ziehen. Es zeichnet sich jedoch bis jetzt noch kein Rückgang der paramilitärischen Gewalt ab, obwohl diese Organisationen seit mehr als zehn Jahren offiziell demobilisiert sind.
Es bleibt zu hoffen, dass es dem kolumbianischen Staat gelingt, einerseits in den Gebieten, die bisher von den FARC gehalten wurden, das entstehende Machtvakuum zu füllen und dort Zivilbevölkerung, MenschenrechtsverteidigerInnen und soziale Führungspersonen effektiv zu schützen. Und andererseits diesen Schutz auf sämtliche Gebiete auszudehnen, in denen paramilitärische Gruppierungen teils seit mehreren Jahrzehnten aktiv sind, und damit die bewaffnete Konfliktlösung schrittweise zu überwinden.