Pausenloser Krieg im Catatumbo

Okt 30, 2018

Von Fabian Dreher

Die Regierung von Präsident Iván Duque hat beschlossen, zusätzliche Truppen in die Region Catatumbo im Departement Norte de Santander zu senden, obwohl bereits 12’000 Soldaten und 4000 Polizisten in der Region stationiert sind. Zivilgesellschaftliche Organisationen zeigen sich über den Schritt besorgt. Haben doch vergangene Erhöhungen der militärischen Präsenz nicht zu einer Verbesserung der Sicherheitslage geführt. Im Gegenteil erreichte die Gewalt jeweils nach einer Aufstockung der staatlichen Sicherheitskräfte neue Spitzenwerte.

Entgegen dem nationalen Trend ist die Gewalt im Departement Norte de Santander nicht rückläufig. Insbesondere in der Konfliktregion Catatumbo sowie in der Departementshauptstadt Cúcuta nahm die Gewalt im ersten Halbjahr 2018 weiter zu. Der bewaffnete Konflikt ist in diesen Regionen auch nach dem Rückzug der ehemaligen FARC-Guerilla weiterhin aktiv. ELN, EPL und paramilitärische Organisationen liefern sich untereinander und mit den staatlichen Sicherheitskräften blutige Auseinandersetzungen um die Kontrolle von Territorium und Drogenhandel. Auch mexikanische Drogenkartelle mischen im Catatumbo direkt mit. Die Zivilbevölkerung ist der Gewalt schutzlos ausgesetzt[1].

Gemeinsam mit lokalen Organisationen untersucht das Centro de Investigación y Educación Popular (CINEP) die Struktur der Gewalt in der Region Catatumbo sowie in Cúcuta[2]. Die hohe Intensität des bewaffneten Konflikts in den Regionen Catatumbo und Cúcuta im ersten Halbjahr weisen darauf hin, wie wichtig ein umfassender Friedensprozess für die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen und humanitären Krisen wäre.

Zwischen Januar und Juni 2018 registrierte CINEP 439 Viktimisierungen. Bei 233 Viktimisierungen können paramilitärische Organisationen als Täter identifiziert werden, gefolgt von 164 Viktimisierungen durch die Polizei und 53 durch die kolumbianische Armee. Zudem wurde in 238 Fällen das internationale humanitäre Gewohnheitsrecht (Derecho Internacional Humanitario Consuetudinario, DIHC) verletzt, in 76 Fällen durch unbekannte Guerillaorganisationen oder dissidente FARC-Einheiten, in 38 Fällen durch das EPL und in 37 Fällen durch das ELN.

Die häufigste Form von Gewalt sind dabei Drohungen mit 202 Fällen, wovon 152 von paramilitärischen Organisationen ausgingen. An zweiter Stelle stehen willkürliche Verhaftungen, welche vor allem von der Polizei verübt wurden. An dritter Stelle stehen aussergerichtliche Hinrichtungen, die vor allem von paramilitärischen Organisationen, Polizei und Armee verübt werden. Im innerkolumbianischen Vergleich weisst zwar das Departement Valle del Cauca mehr Menschenrechtsverletzungen auf, im Departement Norte de Santander ist jedoch die politische Gewalt höher und es werden mehr Verstösse gegen das humanitäre Gewohnheitsrecht begangen.

In der Region Catatumbo ist der bewaffnete Konflikt nach wie vor aktiv, die meisten Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des internationalen humanitären Rechts gehen deswegen von am bewaffneten Konflikt beteiligten Organisationen aus und stehen oft in direktem oder zumindest indirektem Zusammenhang mit bewaffneten Auseinandersetzungen. Während 2012 die Guerilla der FARC-EP am meisten Vikimisierungen verursachte, steht 2017 das ELN an der Spitze, gefolgt von den staatlichen Sicherheitskräften und Paramilitärs. Am stärksten betroffen waren zwischen Juli 2010 und Juni 2018 die Gemeinden Tibú, Teorama und El Tarra. An der Spitze der Viktimisierungen stehen Drohungen (160), Morde (136), militärische Ziele (100) und bewaffnete Auseinandersetzungen (99).

In der Hauptstadtregion um Cúcuta geht die Gewalt viel stärker von paramilitärischen Organisationen aus (72 Prozent). 63 Prozent der 519 Fälle von Gewalt zwischen 2010 und 2018 waren Morde (292), hinzu kommen 48 Drohungen, 58 Verletzungen, 41 Fälle von Folter und 18 Fälle von Zwangsverschleppungen.

Die Zivilbevölkerung im Departement Norte de Santander wünscht sich Frieden. Eine breite Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen setzt sich für den Friedensprozess ein und fordert die bewaffneten Organisationen und die staatlichen Sicherheitskräfte auf, die Menschenrechte der Zivilbevölkerung zu achten. Davon ist Norte de Santander heute leider weit entfernt. Während andere Regionen bereits von der Friedensdividende profitieren, nimmt die Gewalt in Regionen wie Catatumbo und Cúcuta bis heute nicht ab.