Höhenflüge und Tiefpunkte des Friedensprozesses

Mai 29, 2017

Von Fabian Dreher

Der ehemalige Präsident Uribe und seine Partei versuchen weiterhin, den Friedensprozess wo nur möglich zu behindern. Die Regierung ist jedoch trotz einem Urteil des Verfassungsgerichts zuversichtlich, die gesetzlichen Grundlagen zur Umsetzung des Friedensvertrags mit den FARC schaffen zu können. Während die FARC sich bereits ein neues, demokratisches Image geben und ihre politische Zukunft vorbereiten, steckt die ELN in langwierigen Friedensverhandlungen mit der kolumbianischen Regierung fest. Die grösste Gefahr für den Frieden geht weiterhin von den erstarkenden Paramilitärs aus.

Die Umsetzung des Friedensvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC läuft weiterhin eher schleppend. Die Integration der ehemaligen Kämpfer in die Zivilgesellschaft schreitet zwar voran[1], es fehlen jedoch in Politik wie auch im Feld noch viele Schritte bis zur vollständigen Umsetzung des Friedensvertrags. So verfügen die Übergangszonen, in denen die ehemaligen FARC-Kämpferinnen und –Kämpfer versammelt sind weiterhin über eine ungenügende Infrastruktur. Im Gegenzug haben die FARC auch noch nicht wie versprochen sämtliche Waffen abgeliefert[2]. Waffenfunde von abtrünnigen FARC-Fraktionen verbessern das brüchige Vertrauen zwischen Regierung und der ehemaligen Guerilla auch nicht[3]. Derweil treiben die Anführer der FARC den Imagewandel und die politische Integration der Organisation voran[4]. Der von der Regierung Santos vorgelegte Entwurf eines neuen Landgesetzes wird von den FARC vehement abgelehnt und als Verrat am Friedensabkommen bezeichnet[5]. Die politische Auseinandersetzung um die Umsetzung des Friedensvertrags hat eben erst begonnen.

Die weiterhin aktive Guerilla ELN fährt eine zweigleisige Strategie. Einerseits führt sie in Quito den Dialog mit der Regierung über ein Friedensabkommen fort. Beide Seiten zeigen sich weiterhin zuversichtlich, zu einer Einigung zu kommen. Allerdings würde nur ein baldiger Durchbruch bei den Verhandlungen eine Unterzeichnung und Ratifizierung noch vor den Präsidentschaftswahlen 2018 ermöglichen[6]. Andererseits liefern sich Einheiten der ELN weiterhin regelmässig Gefechte mit Polizei und Armee[7] und insbesondere mit erstarkten neoparamilitärischen Gruppierungen. Hart umkämpft sind dabei insbesondere Gebiete, die früher von den FARC kontrolliert wurden[8].

In der Vergangenheit waren die beiden Guerillas FARC und ELN sowie ihre Anführer oft nicht besonders gut aufeinander zu sprechen. Teilweise haben sie sich auch Territorien strittig gemacht. Im Rahmen des Friedensprozesses setzen die beiden Organisationen zunehmend auf Kooperation. Die Führungspersonen scheinen langsam zu verstehen, dass nur die Zusammenarbeit zu politischen Erfolgen führen kann. Anfang Mai haben beide Organisationen zusammen mit Politikern, Zivilgesellschaftlichen und Menschenrechtsorganisationen einen „Nationalen Pakt für den Frieden“ geschlossen[9]. Ende des Monats nun treffen sich Führungspersonen der beiden Organisationen in Havanna, um eine gemeinsame Strategie für den Frieden zu diskutieren[10]. Beide Organisationen bezeichnen weiterhin den erstarkenden Paramilitarismus als grösste Bedrohung für einen dauerhaften Frieden in Kolumbien[11].

Menschenrechtsorganisationen und das UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte zeigen sich besorgt über die Ausbreitung neoparamilitärischer Gruppierungen und die Zunahme paramilitärischer Gewalt, insbesondere in ehemals von den FARC kontrollierten Gebieten[12]. In Gebieten wie Chocó, Buenaventura, Valle del Cauca und weiteren wurden in den vergangenen Monaten tausende Familien vertrieben und mehrere MenschenrechtsverteidigerInnen und soziale Führungspersonen bedroht und ermordet. Auch im Umfeld der Übergangszonen der FARC sind Paramilitärs aktiv und bedrängen die Bevölkerung[13]. Das Verhalten der kolumbianischen Regierung kann nur als schizophren bezeichnet werden. Einerseits bestreiten hochrangige Mitglieder der Regierung die Existenz neuer paramilitärischer Gruppierungen. Andererseits verurteilt sie die paramilitärische Gewalt, sobald sich diese gegen die staatlichen Sicherheitskräfte richtet[14]. Diese Auseinandersetzungen sind jedoch regional beschränkt. Denn immer wieder werden auch Details über die lokale Zusammenarbeit von Polizei, Armee und Paramilitärs öffentlich[15].

In vielen Regionen gefährden paramilitärische Gruppierungen den Frieden. Auf politischer Ebene geht die grösste Gefahr momentan vom Centro Democrático um den ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe aus. So sehen dies insbesondere auch unabhängige Medien[16]. Nach verschiedenen Niederlagen vor Gericht[17] bereitet der Centro Democrático sich auf den Präsidentschaftswahlkampf 2018 vor, um danach das Friedensabkommen zu hintertreiben[18]. Es ist fraglich, wie lange die übrigen Vertragsparteien sich dies gefallen lassen.

Aus den Vereinigten Staaten sind hingegen aktuell eher positive Signale zu vernehmen. Der Kongress hiess die bereits von der vorhergehenden Regierung versprochenen Hilfsmittel für die Umsetzung des Friedensabkommens gut[19]. Anlässlich des Besuchs des kolumbianischen Präsidenten Santos bei seinem amerikanischen Amtskollegen Trump bestätigte dieser die Unterstützung der USA für den Friedensprozess, drängt aber auch zu einer baldigen Lösung der Drogenproblematik und einer aktiven Aussenpolitik zur Lösung der politischen Krise in Venezuela[20]. Der UNO-Sicherheitsrat stellte sich mit einer ausserordentlichen Sitzung in Kolumbien demonstrativ hinter den Friedensprozess[21].

Auf politischer Ebene schuf das Parlament in Bogotá die Voraussetzungen für die politische Beteiligung der ehemaligen FARC-Kämpfer im Kongress[22]. Jedoch erlitt die Regierung Santos vor dem Verfassungsgericht eine empfindliche Niederlage, die die Umsetzung des Friedensvertrags verzögert[23]. Die Gegner des Friedensabkommens erhalten mehr Möglichkeiten, die Gesetze zum Friedensabkommen im Kongress abzuändern oder zu blockieren[24]. Präsident Santos und seine Regierung zeigen sich jedoch zuversichtlich, dass dieses Urteil den Friedensprozess nicht gefährdet[25]. Es wird sich zeigen, ob dies mehr als nur Zweckoptimismus ist[26].