Weitere Proteste und grosse Unsicherheit bezüglich der Umsiedlung von El Hatillo
Von Stephan Suhner
Die Umsiedlung der Gemeinschaft El Hatillo hat immer wieder an einem seidenen Faden gehangen, da die Finanzierung durch die drei Unternehmen wiederholt unsicher war. Schon im Herbst 2019 hatte die Gemeinschaft die Einberufung eines Operativen Komitees (Instanz mit Behördenbeteiligung die die Oberaufsicht im Umsiedlungsprozess haben sollte) gefordert, um Lösungen und Garantien für den Umsiedlungsprozess zu erhalten, aber nichts passierte. Im Jahr 2020 verschärfte sich die Lage durch die Coronapandemie, die sinkenden Kohlepreise und durch verschiedene juristische Probleme, Im Oktober 2020 hat dann Colombian Natural Resources die wirtschaftliche Restrukturierung beantrag und wurde der Superintendencia de Sociedades (staatliche Unternehmensaufsicht) unterstellt. CNR hatte nicht mehr in den Umsiedlungsfonds einbezahlt und durch die Restrukturierung wurde der Zugriff auf die Gelder im Fonds verunmöglicht, wodurch der Umsiedlungsprozess zum Stillstand kam. Am 21. Oktober 2020 führte die Gemeinschaft El Hatillo eine Protestaktion durch, in dem sie die Zugsstrecke blockierte. Kolumbianische und Internationale NGO gelangten an die Unternehmen und vor allem an die zuständigen Behörden, um Lösungen zu verlangen. Die Nationale Behörde für Umweltlizenzen ANLA lehnte die Zuständigkeit ab, da sie sich nicht über finanzielle Belange der Minenbetreiber äussern könne. Dabei ist die ANLA für die Umsiedlung verantwortlich. Von staatlicher Seite gibt es bisher keine Lösung, wie der blockierte Umsiedlungsprozess wieder fortgesetzt werden könnte. Glencore-Prodeco wurde von der Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien mehrmals direkt angeschrieben, die Antworten vermochten aber nicht zu überzeugen und änderten nichts an der Situation für El Hatillo. Kurz vor Weihnachten wurde ein von NGO und Personen unterzeichnetes Manifest für El Hatillo und ein kurzes Video verbreitet, in dem die Gemeinschaft eine humanitäre Krise beklagt. Da auch im Januar keine Lösung in Sicht war, kam es am 3. Februar 2021 zu einem Protestmarsch der Gemeinschaft von El Hatillo in La Loma, mit dem sie vor allem an den Staat appellierten, sich für eine Lösung einzusetzen. Wir geben das Communiqué des Protestes hier wieder.
Protest und Communiqué der Gemeinschaft El Hatillo
- Februar 2021, Gemeinde El Paso, Departement Cesar, Kolumbien.
Wir Bewohner aus dem Weiler El Hatillo existieren auch in Kolumbien! Heute denunzieren wir gegenüber der nationalen und internationalen öffentlichen Meinung die tiefgreifende Verantwortungslosigkeit des kolumbianischen Staates und seiner Behörden, der Nationalen Behörde für Umweltlizenzen ANLA und des Ministeriums für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung. Seit dem 21. Oktober 2020 haben wir die Behörden intensiv und beharrlich darauf aufmerksam gemacht, das der Umsiedlungsprozess unterbrochen wurde und damit auch unsere Nahrungsmittelhilfe nicht weitergeht.
Diese Umsiedlung wurde durch ebendieses Ministerium im Jahr 2010 angeordnet, und heute, zehn Jahre später, ist der Umsiedlungsprozess zum Stillstand gekommen wegen des finanziellen Restrukturierungsprozesses des Unternehmens Colombian Natural Resources (CNR). Wir fühlen eine tiefe Hoffnungslosigkeit angesichts der unbeweglichen, indifferenten und gleichgültigen Haltung der Nationalregierung. Wir sehen wie die Menschenrechte der Kinder, der Jugendlichen, der Betagten und er Bevölkerung von El Hatillo im Allgemeinen durch die Regierung verletzt werden, da die Regierung nicht einem elementarste Vorkehrungen trifft um uns mit sozialen Dienstleistungen zu versorgen. Die Regierung äussert sich nicht, so dass der Unterbruch der Umsiedlung überwunden werden könnte, es gibt keine staatlichen Investitionen die unsere Lebensqualität verbessern würden. Ebenso wird kein Datum für ein Comité Operativo abgemacht, das Raum bieten würde um die Aktionen zu bestimmen, die zur Überwindung der aktuellen Situation des Umsiedlungsprozesses nötig sind.
Wir rufen die Nationalregierung dazu auf, dass sie Beamte mit Befugnis und Tatendrang in Territorium schickt. Diese sollten seitens der ANLA und des Umweltministeriums rasch ein Datum bestimmen, um ein Comité Operativo durchzuführen, um damit ein Ende dieser schlimmen Situation herbeizuführen und so diese potentielle soziale Bombe im Departement Cesar rechtzeitig zu entschärfen.
¡Für das Recht auf ein würdiges Leben in El Hatillo!
Prodeco will Kohleabbau aufgeben – neue Befürchtungen in El Hatillo
Einen Tag später wurde bekannt, dass Prodeco seine Bergbautitel an den kolumbianischen Staat zurückgeben will. Dies bedeutet eine neue und weitere Unsicherheit für El Hatillo. Am 8. Februar 2021 fand ein Treffen zwischen Prodeco, dem Operator Socya und den Führungspersonen der Gemeinschaft statt, an dem die ask! teilnehmen konnte. Bei diesem Treffen versicherte Prodeco, dass der Entscheid vom 4. Februar nichts an der Erfüllung der sozialen und Umweltverpflichtungen von Prodeco ändere, diese würden wie vertraglich vereinbart weitergeführt. Das gelte auch für die Umsiedlung von El Hatillo, das Geld um weiterzumachen sei vorhanden. Das Problem im Umsiedlungsprozess habe nichts mit dem Entscheid von Prodeco zu tun, die Bergbautitel dem Staat zurück zu geben, sondern sei durch die Zahlungsunfähigkeit von CNR verursacht worden. Im Fonds sei Geld vorhanden, konkret 18 Milliarden Pesos, aber dieses Geld könne im Moment nicht verwendet werden. Dies sei ein Problem zwischen CNR und der Superintendencia, die entscheiden müssen, wann und wie das Geld des Fonds freigegeben werden könne. Das liege nicht in der Hand von Prodeco, wiewohl Prodeco und Drummond an einer Lösung mitwirken würden, um diese Gelder verwenden zu können. Prodeco könne aber angesichts der eigenen schwierigen Lage nicht die Kosten einer anderen Firma wie CNR übernehmen. Prodeco versicherte mehrfach, sie würden ihre Verpflichtungen im Umsiedlungsprozess weiter erfüllen, dafür würden sie ihr Wort geben. Weitergehende Fragen zur Rückgabe der Bergbaukonzessionen und Titel und den Auswirkungen beantwortete Prodeco nicht oder nur vage und ausweichend.
Obwohl das Problem nicht durch Prodecos Entscheid, den Kohleabbau aufzugeben verursacht worden ist, wird der Umsiedlungsprozess dadurch nicht einfacher, da vieles in Bezug auf die Rückgabe der Bergbautitel unsicher ist. Wie reagiert der Staat auf die Rückgabe der Bergbautitel, akzeptiert er dies und unter welchen Bedingungen? Übernimmt ein neues Unternehmen die Mine? Wie lange ist Prodeco noch mit welchen Aktivitäten vor Ort? Die zuständigen staatlichen Behörden haben bisher eine extrem schlechte Rolle gespielt, Prozesse verzögert, sich für nicht zuständig erklärt und keine Kontrolle ausgeübt. Leidtragende ist die Gemeinschaft El Hatillo, deren Umsiedlungsprozess mitten in Verhandlungen, Kaufentscheiden und Vertragsunterzeichnungen unterbrochen wurde. Auch der Übergangsplan, der ein würdiges Leben bis zum Umzug an den neuen Ort garantieren sollte, ist blockiert, so dass die Bevölkerung weder die Nahrungsmittelhilfe noch die Subventionszahlungen erhält, was die humanitäre Notlage verschärft. All die juristischen und administrativen Probleme und Auseinandersetzungen werden auf dem Buckel der Gemeinschaft ausgetragen. Das ist auch der Grund, warum die Versprechen von Prodeco kein Vertrauen schufen und die Führungspersonen nach dem Treffen fast noch wütender und verunsicherter als vorher waren. Als ask! sind wie der Meinung, dass Glencore Prodeco mehr tun könnte und sollte, um einerseits den Umsiedlungsprozess und die Gelder des Fonds zu deblockieren, andererseits aber auch mehr direkt tun könnte, um die soziale Lage in El Hatillo zu entschärfen. Die Krisenkommunikation und der Umgang mit den menschenrechtlichen Risiken dieser Unternehmensentscheide und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind klar ungenügend.