Streik bei Cerrejón nach 91 Tagen beigelegt, Zukunft der Kohlemine bleibt aber ungewiss

Dez 22, 2020

Von Stephan Suhner

In der Nacht vom 30. November 2020 haben Sintracarbón und Cerrejón nach 91 Tagen Streik einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterzeichnet. Damit geht der längste Streik in der Geschichte von Cerrejón zu Ende. Dank dem entschlossenen Widerstand und internationaler Unterstützung ist es der Gewerkschaft gelungen, die bisherigen Vorteile zu halten.

Cerrejón und die drei Mutterkonzerne Glencore, BHP und Anglo American wollten viele historische Errungenschaften der Gewerkschaft aus dem GAV streichen, aber Sintracarbón hat es geschafft, die bisherige Struktur des GAV zu erhalten. Der neue GAV hat eine Gültigkeitsdauer von gut drei Jahren, vom 1. Juli 2020 bis 31. Dezember 2023. Die wichtigsten Punkte sind: 100 temporäre Stellen werden in unbefristete Anstellungen umgewandelt, es gibt Lohnerhöhungen gemäss dem Konsumentenpreisindex, es gibt 700 neue Darlehen zum Kauf von Wohnraum, die Reisespesen, Schulstipendien etc. werden ebenfalls dem Konsumentenpreisindex angepasst und es gibt weiterhin tägliche Transporte in die ganze Guajira, nach Valledupar und Barranquilla.

Gewerkschaft und Unternehmen haben davor zuerst 60 Tage verhandelt, danach gab es Treffen unter Vermittlung der Einigungskommission über Arbeits- und Lohnpolitik und dem Büro des Ombudsmannes für Menschenrechte. Kurz bevor ein Schiedsgericht hätte einberufen werden müssen, einigten sich die Parteien darauf, nochmals direkt zu verhandeln. Sintracarbón hat schon immer die Einberufung eines Schiedsgerichtes abgelehnt, da diese meistens stärker zu Gunsten des Unternehmens urteilen, da zwei der drei Richter jeweils klar oder tendenziell auf Seite des Unternehmens stehen. Nach sechs weiteren Verhandlungstagen unterzeichneten sie den neuen GAV. Die Vermittlung und Begleitung durch das Arbeits- sowie durch das Bergbauministerium, ebenso wie die Vermittlung durch den Ombudsmann für Menschenrechte (Defensor) und den Gouverneur der Guajira, waren ausschlaggebend für die Einigung.

Zusätzlich wurden technische Verhandlungstische für dreissig Tage vereinbart, um weitere umstrittene Themen zu diskutieren, wie z.B. die Änderung der Arbeitsschichten, von 2×1 und 2×3 auf 7×3 und 7×4. Das heisst, die Arbeiter würden neu sieben Tage arbeiten, drei Tage frei haben, danach sieben Tage arbeiten und vier Tage frei haben. Dieser Vorschlag des Unternehmens wurde von der Gewerkschaft als Todessschichten abgelehnt. Dadurch müssten die Arbeiter mehr Tage im Monat in einer 12-Stundenschicht arbeiten (insgesamt 72 Arbeitstage mehr pro Jahr), wodurch 1250 Arbeitsplätze eliminiert würden und die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wäre.

Sintracarbón wird in den bis Ende Dezember dauernden Verhandlungen rechtliche Gründe, Berufsrisiken und Risiken für die körperliche und mentale Gesundheit sowie das Recht auf ein würdiges Leben und das Recht auf Familienleben ins Feld führen, weshalb der neue Schichtplan abzulehnen sei. Die Probleme bei der Vermarktung der Kohle und der Rentabilität des Bergbauunternehmens könnten nicht einseitig mit Opfern der Arbeiter gelöst werden. Mit der neuen Schicht würden die Arbeiter deutlich mehr als die gesetzliche Maximalarbeitszeit arbeiten.

Cerrejón und die Mutterkonzerne wollten wesentliche Elemente des bisherigen GAV eliminieren, betonten aber trotzdem, wie viele Vorteile die Arbeiter weiterhin haben und wie viel diese verdienen würden. Ebenso betonte Cerrejón unaufhörlich, wie einschneidend der Streik sich auf die Wirtschaft des Departements Guajira und auf die Entwicklung der Gemeinschaften auswirken würde. Immer wieder rief Cerrejón dazu auf, das alle Hand in Hand für das Unternehmen und das Wohlergehen der Guajira arbeiten müssten. Cerrejón betonte unablässig die schwierige Lage, in der sich das Unternehmen befinde, bedingt durch die COVID19-Pandemie und eingebrochenen Kohlepreise. Effektiv ist der wichtigste Markt für kolumbianische Kohle, Europa und allen voran Deutschland, regelrecht am Wegbrechen. Es wird immer weniger Kohle gebraucht und die kolumbianische Kohle wurde zusehends durch russische Kohle verdrängt.

Überstürzter Rückzug aus dem kolumbianischen Kohlegeschäft

Mark Cutifani, CEO von Anglo American, kündigte am 11. Dezember 2020 an, dass das Unternehmen die Anteile an Cerrejón in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren verkaufen will. Auch aus den Kohleminen in Südafrika will Anglo American bis 2023 aussteigen. BHP Bilinton hatte schon früher angekündigt, dass es seine Anteile an Cerrejón verkaufen will. BHP hätte 2019 mit Cerrejón einen Vorsteuerverlust von 43 Millionen USD erzielt. Die UBS gemeinsam mit Goldman Sachs wurde beauftragt, den Verkauf der Minen Mount Arthur in Australien, Cerrejón in Kolumbien und von zwei Beteiligungen an Joint Ventures in Queensland, Australien in die Wege zu leiten. Unklar war bisher noch, was die Pläne von Glencore in Bezug auf ihre Kohleminen in Kolumbien sind. CEO Ivan Glasenberg sagte in einem Interview vor noch nicht allzu langer Zeit, dass Kohle noch länger Teil der Energiematrix sein werde und dass Glencore die bestehenden Kohleminen weiterbetreiben werde. Lange wurde auch darüber spekuliert, dass Glencore die Anteile von Anglo American und BHP an Cerrejón übernehmen könnte. Sintracarbón sagte dazu auch, dass Glencore hinter der harten Verhandlungsposition des Cerrejón stehe, was von Glencore jedoch entschieden in Abrede gestellt wurde. Der Druck von Investoren wie Fonds sowie von Umweltschützern steigt jedoch auch auf Glencore. Verschiedene europäische Fonds hatten Glencore Anfang 2020 empfohlen, aus Cerrejón auszusteigen. Verschiedene kolumbianische Medien berichteten nun, dass alle drei Shareholder bis 2023 aus Cerrejón aussteigen würden. Konkrete Ankündigungen von Glencore fehlen zwar immer noch, die Medien zitieren aber eine Mitteilung vom dritten Quartal 2019, wonach Glencore die Kohleproduktion zurückfahren und mehr auf Metalle für die Elektrifizierung setzen wolle. Was der Ausstieg der drei Shareholder für das Weiterbestehen von Cerrejón bedeutet ist noch völlig offen. Am wahrscheinlichsten ist, dass ein Käufer aus Asien, eventuell aus China, die Mine übernimmt.

Quellen:

http://www.industriall-union.org/es/sintracarbon-firma-convenio-con-cerrejon-y-finaliza-huelga-historica

https://sintracarbon.org/negociacion-colectiva-2020/boletines-de-prensa-negociacion-colectiva-2020/

https://www.cerrejon.com/index.php/cerrejon-y-sintracarbon-firman-la-nueva-convencion-colectiva-de-trabajo/

https://www.dinero.com/inversionistas/articulo/el-cerrejon-se-quedaria-sin-uno-de-sus-accionistas-saldra-angloamerican/309520

https://www.portafolio.co/negocios/explotacion-del-carbon-cambio-de-dueno-deja-dudas-sobre-el-futuro-del-cerrejon-547622