Mit frischem Wind in eine grüne Zukunft?

Sep 30, 2020

Von Lisa Alvarado

2031 sollen laut Plan 60 Windparks in der Guajira 7 Gigawatt Strom produzieren. Bis 2050 sollen dann mittels Nutzungsoptimierung 16 Gigawatt angestrebt werden. Das entspricht der Produktionskapazität von zwei Wasserkraftwerken von der Grösse von Hidroituango. Ein gigantisches Projekt, das laut Berechnungen von Indepaz die Strombedürfnisse aller grossen Städte sowie aller grossen Industriebetriebe des Landes decken würde. Nur wissen von diesem Ausmass weder die Kolumbianer im Allgemeinen, noch die indigenen Gemeinschaften in der Guajíra, die Besitzer des Territoriums sind. 

Die Nachfrage nach erneuerbarer Energie ist definitiv vorhanden, sowohl global wie auch in Kolumbien. Abkommen wie dasjenige von Paris sorgen dafür, dass nicht erneuerbare Energiequellen, wie zum Beispiel Kohle, schrittweise nicht mehr abgebaut werden. Heute ist die Guajira, zusammen mit dem Cesar, eines der grössten Kohleabbaugebiete der Welt. Die Energiepolitik der letzten Jahrzehnte war in Kolumbien geprägt von Erdölförderung und Kohleabbau. Obwohl Kolumbien alle wichtigen Klimaabkommen seit Río 1992 unterzeichnet hatte, wurde faktisch immer hauptsächlich der Kohleabbau vorangetrieben. Doch mittlerweile hat der internationale Druck zwangsläufig auch Auswirkungen auf Kolumbien. Denn die Nachfrage nach Kohle sinkt mehr und mehr. Während im Jahr 2018 noch 38% der weltweiten Energienachfrage durch Kohle gedeckt wurde, sind es laut Prognosen im Jahr 2050 noch 11%. Der bisher grösste Kohleabnehmer Niederlande (16.5% der kol. Kohleexporte) plant einen kompletten Kohleausstieg bis 2030. Mit diesen Aussichten, sinkenden Kohlepreisen und der COVID-19 Pandemie haben die Minen ihre Produktion teilweise sogar schon eingestellt (siehe weiteren Artikel  von ask!). 

Doch die Guajira hat energietechnisch nicht bloss Kohle zu bieten. Windtechnisch ist sie als Halbinsel im karibischen Meer auch sehr gut gelegen. Ob und für wen diese neue Energiequelle eine grüne Zukunft bringen kann, soll in diesem Artikel beleuchtet werden. Grundlage dafür ist ein Bericht von Indepaz, welcher im Jahr 2019 in aktualisierter Version publiziert wurde. 

Dreifache Schwierigkeiten

In der Planung und Umsetzung von Windparks in der Guajira gibt es mehrere Schwierigkeiten. Dabei spielen hauptsächlich mangelnde Kommunikation, juristische Lücken und fehlende staatliche Präsenz eine Rolle. 

Kommunikation und Wissen

Die Kommunikation zwischen indigenen Gemeinschaften und Firmen ist auf beide Seiten schwierig. Es fehlt an Kenntnissen und Wissen auf beiden Seiten. Einerseits wissen die indigenen Gemeinschaften häufig nicht, mit wem sie genau verhandeln, und was die Ausmasse des Projektes wirklich sind. Andererseits fehlt es auch den Firmen an Kenntnissen der indigenen Besitzverhältnisse, sodass die Verhandlungen häufig nicht mit denen geführt werden, denen das Land wirklich gehört, was später dann zu Problemen führen kann. 

Für die meisten indigenen Gesellschaften, die Wayúu inbegriffen, bedeutet das Territorium viel mehr als nur das Land, worauf sie leben. Das Territorium ist eine soziale Konstruktion, die sich über die Zeit entwickelt hat und mit ihrer Kosmovision eng verbunden ist. Die Guajira als Territorium der Wayúu ist das Land, womit sie sich als Ethnie identifizieren, wo ihre Bräuche, Normen, Gesetze und Kultur herkommen. Ihr Territorium wird kollektiv genutzt, hat aber durchaus seine anzestralen Besitzer. Der Hintergrund dazu ist, dass die Wayúu traditionell nomadisch gelebt haben. Das heisst, dass sie sich frei innerhalb des Territoriums (welches die ganze Guajira, Teile des Cesars umfasst und sogar bis nach Venezuela reicht) bewegen können und auch ihre Wohnstätten (rancherías) jeweils nach einer gewissen Zeit an einem neuen Ort errichteten. Mit der Zeit wurden sie immer mehr sesshaft, auch durch die Akkulturalisierung und die Trennung des Territoriums durch Staatsgrenzen etc. Das bedeutete aber nicht, dass sie auch andere Traditionen aufgegeben haben. 

Die Wayúu sind eine matrilineare Gesellschaft. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass das Erbe jeweils von Mutter an Tochter weitergegeben wird. Nancy Gómez, anzestrale Autorität in Cabo de la Vela erklärt es folgendermassen:

«In unseren Bräuchen gilt das matriarchalische Gesetz. Wer erbt? Die Frau. Die Kinder der Frau sind die starke Abstammungslinie, sie sind diejenigen, die das Territorium erben. Ich bin zum Beispiel eine Frau, meine Töchter erben. Ich habe zwei Söhne und eine Tochter. Von den drei Kindern, die ich habe, erben die Söhne kein Territorium; sie haben das Recht auf dem Territorium zu leben, ja, aber sie erben kein Territorium.» 

Zum Erbe gehört bei den Wayúu auch das Land. Das Land gehört traditionell der Familie, dessen Ahnen auf dem jeweiligen Friedhof bestattet sind. Aufgrund des Nomadismus, der graduell immer mehr unterbunden wurde, wohnen nicht immer diejenigen Personen auf dem Land, denen es tatsächlich gehört. Das führt in den Verhandlungen mit Firmen zu Missverständnissen und Konflikten. Denn die Gesellschaft der Wayúu ist in sechs Clans (Eirruku=mütterliches Fleisch) unterteilt, die auf der Entstehungsgeschichte der Wayúu beruhen und deren Oberhäupter eben die obengenannten anzestralen Besitzer der Ländereien sind. Die anzestralen Autoritäten (autoridades ancestrales) sind nicht zu verwechseln mit den traditionellen Autoritäten (autoridades tradicionales). Diese sind in den Jahren seit 1994 entstanden, weil der Staat wollte, dass sich die Wayúu ebenso wie die Indigenen des Cauca in cabildos organisieren, um die Beziehungen besser regulieren zu können und eine Ansprechperson zu haben. Zu dieser Zeit gab es anscheinend keine oder ungenügende Kenntnisse der tatsächlichen Hierarchiestrukturen der Wayúu. Diese künstliche Schaffung einer bürokratischen Autorität hat aber nicht zu vereinfachten Verhandlungen geführt. Im Gegenteil. Denn die Wayúu haben die Figur der traditionellen Autorität nie als solche anerkannt. Für sie hat immer noch die anzestrale Autorität das letzte Wort. Diese Person ist aber für Aussenstehende nicht immer als solche erkennbar. 

Das kolumbianische Gesetz verlangt, dass vor jeglicher Installation einer Mine oder eben auch eines Windparks vorgängig die vor Ort lebenden Indigenen konsultiert werden. Die sogenannte vorgängige, freie und informierte Konsultation soll dafür sorgen, dass die vor Ort lebenden Menschen mit dem Projekt einverstanden sind. Die Firma braucht also eine Unterschrift der Gemeinschaft, die auf dem betroffenen Land lebt. Doch wer unterschreibt? Möglicherweise ist es eine traditionelle Autorität, die zwar auf dem Land leben darf, aber nicht der wirkliche Besitzer des Landes ist. Denn die anzestrale Autorität gibt sich gegenüber Nicht-Wayúus (arijunas) oft gar nicht zu erkennen oder versteckt sich. Dann kann geschehen, was im Fall des Windparks von EPM in Jepírachi passiert ist: Da sind Rancherías mit ihren Großfamilien, die sich seit mehreren Jahrzehnten und sogar Generationen auf dem Land befinden und die längst das Gewohnheitsrecht geniessen; ihr alaula [1] hat mit der Firma Vereinbarungen über das Territorium getroffen, und alles scheint im Einklang mit dem Herkunftsrecht zu stehen, bis eine junge Familie eintrifft und ihnen mitteilt, dass sie nach mehreren Jahrzehnten beschlossen haben, in das angestammte Territorium zurückzukehren und die Eigentumsrechte zu übernehmen, die sie von ihren Großeltern oder Urgroßeltern geerbt haben. So war es in Jepírachi, dem Windpark, der von EPM 2005 installiert wurde. Zehn Jahre nach der Inkraftsetzung des Windparks kamen einige Familien aus Venezuela und behaupteten, die rechtmäßigen Eigentümer und somit auch die Begünstigten des Projekts mit all seinen Vorteilen zu sein. Der Konflikt zwang die anzestralen Autoritäten aus der ganzen Region dazu, die Ansprüche der Neuankömmlinge zu beurteilen. Die Autoritäten gaben ihnen Recht, und von diesem Moment an machten sie von ihren Rechten Gebrauch und entschieden über die neue Vereinbarung mit der EPM. 

Diese Tatsachen machen es für die investierenden Firmen schwierig, ihre Projekte konfliktfrei und für alle Beteiligten positiv durchzuführen. Ironischerweise sind aber gerade die Beziehungen mit den Firmen für die Wayúu auch sehr undurchsichtig. Es besteht also auf beiden Seiten Intransparenz, was zu weiteren Missverständnissen und Konflikten führt. Beispielsweise wurden schon Windparks verkauft, der Besitzerwechsel den Gemeinschaften aber nicht kommuniziert. Manchmal ist auch nicht klar, wer der Verhandlungspartner ist. In einigen Fällen sind das Vertreter der Besitzerfirma selbst, manchmal andere Firmen, die einzig für die Verhandlungen mit den Gemeinschaften angestellt werden. Dies wird aber nicht immer klar kommuniziert. Anscheinend werden auch die Ausmasse der Projekte nicht immer gleich dargestellt. So hat beispielsweise die Firma Begonia Power ihren Windpark von 264 Windenergieanlagen auf über 120 ha in mehrere Teilparks unterteilt und für jeden davon einzeln die betroffenen Gemeinschaften befragt, ohne sie darüber zu informieren, dass diese Anlagen Teil eines grösseren Parks sind. Wie im nächsten Unterkapitel beschrieben wird, gibt es auch Konflikte aufgrund juristischer Lücken und verschiedenen Verständnissen von Besitzverhältnissen. 

Juristische Lücken

Die Regulierung von nicht-konventionellen erneuerbaren Energiequellen, wozu auch die Windenergie zählt, begann in Kolumbien ernsthaft mit dem Gesetz 1715 im Jahr 2014, womit die Integration dieser Energiequellen in das nationale System geregelt wurde. In den Jahren 2015 bis 2018 wurde das Gesetz dann mit Dekreten und Resolutionen weiter ausgeführt. Allerdings bestehen weiterhin viele normative Lücken, die Grund für Auseinandersetzungen liefern. Die grösste juristische Unsicherheit besteht dabei bei Investitionen von auswärtigen Firmen in kollektive ethnische Territorien, wie es in der Guajira der Fall ist. Das Erfordernis der Zustimmung der ethnischen Gemeinschaften, um eine Initiative für ausländische Investitionen zu starten, ist im ILO-Übereinkommen 169 sowie auch im nationalen Gesetz zwar klar festgelegt. Trotzdem kommt es zu unterschiedlichen Ansichten, wenn es darum geht, wer genau zu befragen ist. Denn der Wind ist nicht wie Erdöl oder andere Minerale an einem fixen Ort festgemacht. Er bewegt sich frei über Grenzen hinweg, ein bisschen wie die Wayúu. Für die Wayúu ist der Wind zudem ein unveräusserliches Gut, das niemandem und allen gehört und somit nicht von einer Person oder einem Eirruku verkauft werden kann. Für die kolumbianische Gesetzgebung muss deshalb mit denjenigen Personen verhandelt werden, denen der Grund gehört, auf dem die Windkraftanlage gebaut werden soll. Das verursacht wiederum Probleme für die umliegenden Gemeinschaften, denn eine Windkraftanlage hat Auswirkungen auf die Windstärke bis zu 60 km windabwärts. Auch die Infrastruktur, die für eine Windkraftanlage gebraucht wird, hat Auswirkungen bis weit über das eng definierte Nutzungsgebiet hinaus. 

Schlussendlich hat aber nicht nur Auswirkungen, wie die consulta previa durchgeführt wird, sondern es spielt auch eine Rolle, unter welchem Machtverhältnis die Verhandlungspartner zueinander stehen.

Fehlender Staat

Die fehlende Präsenz des Staates in den indigenen Territorien und allgemein in abgelegenen Gebieten Kolumbiens hat dazu geführt, dass diese Gemeinschaften derzeit unbefriedigte Grundbedürfnisse haben und dass sie als einzige Möglichkeit sehen, ihre Grundbedürfnisse durch die Kompensationen der Firmen zu befriedigen. Diese Situation kann dazu führen, dass die Konsultationsprozesse mit Vergünstigungen manipuliert werden und am Ende persönlichen Interessen dienen, die der Gemeinschaft überhaupt nicht zugute kommen. Auch werden Dinge angeboten wie Infrastruktur, Schulen, etc. die eigentlich der Staat sowieso zur Verfügung stellen müsste. 

Am 6. Juni 2017 erklärte das Verfassungsgericht in einem historischen Urteil den Stand der Dinge in der Guajira für verfassungswidrig angesichts der massiven Auswirkungen auf die Rechte des Volkes der Wayúu. In demselben Urteil erkannte das Gericht die Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte auf Gesundheit, Trinkwasser, Nahrung und ethnische Partizipation an und machte die Behörden für ihre anhaltende Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen verantwortlich. Das Gericht ordnete die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit und Qualität von Wasser sowie die Umsetzung von Strategien zur Verbesserung der Reichweite und Qualität von Nahrungsmittel- und Gesundheitsprogrammen an. 

Die Guajira ist nach dem Chocó das zweitärmste Departement des Landes und leidet schon seit Ewigkeiten unter der Abwesenheit des Staates. Mehrere Instanzen, darunter die Regierung der Guajira und das Büro des Ombudsmanns (Defensoría del Pueblo), haben festgestellt, dass es den Wayúu selbst an den grundlegendsten Dingen mangelt, dass die Kindersterblichkeit schrecklich hoch ist und dass sie aufgrund des Klimawandels und kultureller Veränderungen nicht die Ernten garantieren können, die ihnen von ihren Vorfahren die Selbstversorgung garantiert hatten. Sie hängen in hohem Maße von einem Staat ab, der nicht ansprechbar ist, und von politisch motivierten Geschenken, die nirgendwo hinführen [2]. Inmitten dieser harten Realität kommen Unternehmen, und versprechen all das, was der Staat garantieren sollte: Wasser, Bildung, produktive Projekte, Arbeitsplätze und sogar Elektrizität. Dieses ungleiche Verhältnis führt die Gemeinschaften dazu, die Kontrolle über ihr Territorium zu verlieren, um die dringenden Dinge für ihren Lebensunterhalt zu erhalten.

Vergleich mit Mexiko

Die unmittelbare Aussicht auf die Genehmigung von Dutzenden von Wind- und Solarparkprojekten zeigt die Dringlichkeit der Aktualisierung der Vorschriften über die privaten Eigentumsrechte (individuell und kollektiv), die bei der Festlegung der Verpflichtungen der verschiedenen beteiligten Parteien und der Verteilung des Nutzens unter ihnen beachtet werden müssen, damit eine (auch sozial) nachhaltige Stromproduktion möglich wird.

In Mexiko sprechen indigene Führungspersonen in diesem Zusammenhang von der «Diktatur des Glücks»:

«Sie sagten uns, dass das Glück Mexikos im Wind liegt, der durch unser Territorium weht. Dass sogar das Glück der Welt davon abhängt, die vor den Gasen, die die reichsten Länder in die Luft schicken, bewahrt werden muss. Sie sagten uns, dass wir mit einer sauberen Entwicklung auch in unseren Gemeinschaften glücklich sein würden. Wegen diesen Versprechungen konnte nicht über unsere Rechte, und über vorgängige Konsultation gesprochen werden. Wenn wir nach vorgängiger Information und Einzelheiten des Geschäfts fragten, sagen sie uns, dass wir gegen die Entwicklung sind oder dass wir Feinde des Planeten und der sich erhitzenden Mutter Erde sind.»

Es ist sehr schwierig, Rechte einzufordern, wenn diese zugunsten von «Entwicklung» und «im Interesse der Allgemeinheit» in den Hintergrund gestellt werden. Die Windenergie wird als nachhaltige Lösung für das Umweltproblem der Menschheit dargestellt und die lokalen Gemeinschaften zu ihrem «Glück» gezwungen. Dass die Machtverhältnisse dabei so ungleich verteilt sind, dass wiederum die bereits armen Gemeinschaften auch noch ihr Land verlieren, wird leider dabei häufig nicht beachtet.

Oaxaca, von wo dieser oben zitierte indigene Führer kommt, ist in vielerlei Hinsicht der Guajira ähnlich. In einem Jahrzehnt (2005-2015) wurde die Region zum grössten Windenergieproduzent Mexikos und produziert heute 80% aller mit Windenergie generierten Megawatts des Landes. Als die indigenen Gemeinschaften sich zu wehren begannen gegen die Megaprojekte, die ihre Territorien belegten, wurden sie mit dem obengenannten Argument der Entwicklung niedergeredet. Das Gesetz über Windenergie in Mexiko definiert Windparks als «Allgemeininteresse» und stellt sie somit über individuelle oder auch kollektive Landansprüche. Firmen, die Windparks bauen wollten, haben laut Untersuchungen die lokale Bevölkerung nicht ausführlich über die Ausmasse des Projekts informiert, nur die Direktbetroffenen wurden einbezogen in die Gespräche oder es wurde überhaupt keine vorgängige Konsultation vorgenommen. Die Fronten haben sich stark verhärtet und die indigenen Gemeinschaften wehren sich mit Protesten, Vorsprachen bei der UNO, etc. Kein gutes Beispiel also, und doch sieht in Kolumbien die Situation ähnlich aus, wenn sie auch noch am Anfang des Prozesses stehen.  

Fazit – Sollte man unter solchen Umständen gar keine Windparks bauen? 

In allen Ländern, in denen sich Windenergieprojekte vervielfacht haben, ist man schnell zu dem Schluss gekommen, dass es keine ausreichenden Gesetze gibt, die Wind oder Windgesetze definieren. Die neuen technologischen Realitäten zeigen, dass es nicht ausreicht, die alten Gesetze zu übernehmen, die beispielsweise für Erdöl- oder Bergbauförderung gelten. Das heisst aber nicht, dass sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Gesetze, oder wenigstens eine Annäherung daran, nicht möglich wären. In Dänemark ist beispielsweise per Gesetz festgelegt, dass die Besitzer der Windturbinen gleichzeitig Konsumenten der Energie sein müssen. Das führt dazu, dass 85% der Besitzer von Windparks dänische Bürger und häufig auch Bauern sind. Diese sind meistens in sogenannten «Wind-Allianzen» organisiert. Auch in Schweden, Kanada und den USA gibt es ähnliche Systeme von Kooperativen, die im Besitz von Windparkanlagen sind. 

Die Guajira befindet sich in der Anfangsphase der Verfahren und Konsultationen für die Installation von Windparks, die in den nächsten Jahrzehnten die Realität der gesamten Halbinsel und die elektrische Energiematrix Kolumbiens verändern werden. Die meisten der Investitionen werden auf dem Gebiet der Wayúu geplant und bedeuten eine außerordentliche Chance für die Gemeinden und alle Akteure, die sich für den Übergang zu erneuerbaren Energien und Alternativen zum Klimawandel einsetzen. Dieser Artikel hat die Herausforderungen auf dem Weg gezeigt. 

Internationale Erfahrungen fordern von allen interessierten Parteien die gebotene Sorgfalt, um die Fehler zu vermeiden, die zu schwerwiegenden Konflikten wie in Oaxaca und zu Asymmetrien zugunsten der Entwickler-/Investorenfirmen geführt haben, die vielen Gemeinschaften Geschäftsmodelle mit Schutzklauseln zugunsten der Firmen, und ohne vorherige, freie und informierte Zustimmung auferlegt haben. 

Die Entwicklung von Windparks in der Guajira ist somit immer noch eine Chance. Aber es wird auch einmal mehr die Wichtigkeit von staatlicher Präsenz klar. Das ist ein strukturelles Problem, unter dem Kolumbien seit Jahrhunderten leidet, und dessen Lösung eine Voraussetzung ist für die nachhaltige Förderung von Energie in abgelegenen Gebieten wie der Guajira ist. Die Umsetzung des Friedensabkommens, in dem auch der Ausbau staatlicher Präsenz in abgelegenen Regionen Teil ist, ist deshalb auch bei diesem Thema zentral. 

Die Wayúu in der Guajira kämpfen schon seit Jahrhunderten um ihr Territorium. Die Kohleminen von Glencore nehmen ihnen schon seit Jahrzehnten den Boden zum Leben und die Luft zum Atmen. Und trotzdem sind sie noch dort und kämpfen weiter für ein anständiges Leben und für ihr Territorium, ohne das sie als Ethnie nicht mehr weiter existieren könnten. 

[1] Onkel mütterlicherseits. Familiäre Autorität.
[2] Auf dem Weg nach Cabo de la Vela sind beispielsweise eine Reihe von Brücken zu sehen, die nirgendwo hinführen, weil die Strasse dazu nie gebaut wurde. Die Brücken dienten einzig dazu, politische Wähler zu gewinnen.