Harte Verhandlungen und Streik bei Cerrejón
Von Stephan Suhner
Cerrejón steht schwierigen Zeiten gegenüber: die tiefen Kohlepreise sind wegen der Corona-Pandemie weiter gesunken, die Mine musste vorübergehend aus Gründen des Gesundheitsschutzes schliessen und verschiedene Gerichtsverfahren schränken den Kohleabbau ein. Die Mine habe in den ersten sechs Monaten des Jahres fast 100 Millionen USD Verlust gemacht und die Kohleimporte Europas seien im Vergleich zu vor zwei Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Cerrejón will deshalb Massnahmen ergreifen, um die Rentabilität des Geschäftes zu retten, und geht dabei voll gegen die Interessen der Arbeitnehmenden und der Gewerkschaft. Bei Verhandlungen zur Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages konnten sich die Gewerkschaft Sintracarbón und Cerrejón nicht einigen, weshalb die Mine seit dem 31. August 2020 bestreikt wird.
Eine der einschneidendsten Massnahmen seitens Cerrejón ist die Änderung der 12-Stunden Schichten der Arbeiter von 2×1 und 2×3 auf 7×3 und 7×4. Das heisst die Arbeiter arbeiten neu sieben Tage, haben drei Tage frei, arbeiten danach sieben Tage und haben vier Tage frei. Sie würden bei gleichem Lohn pro Monat also deutlich mehr Tage, 21 statt wie bisher 15, arbeiten. Zudem würden 1250 Arbeiter überflüssig und würden entlassen. Die Gewerkschaft hat das Schichtmodell 2×1 und 2×3 vor dreissig Jahren hart erkämpft, weil es davor mit dem Model 6×2 zu viele Arbeitsunfälle gab. Sintracarbón lehnt diesen Wechsel nun klar ab, da sieben Tage am Stück zwölf Stunden Arbeiten, plus der Hin- und Rückweg zu anstrengend sei und gegen die Gesundheit und das Familienleben der Arbeiter sei und die Unfallgefahr wegen Übermüdung erhöhe. Die Gewerkschaft spricht von Todesschichten. Ebenso deutlich hält das Management am Wechsel fest, da dieser für das wirtschaftliche Überleben der Mine unabdingbar und nicht Gegenstand von Verhandlungen sei. Cerrejón hat dies trotz verschiedener Bedenken und ungelöster Probleme auf den 1. September unilateral eingeführt.
In Bezug auf den Gesamtarbeitsvertrag haben sowohl die Gewerkschaft wie auch das Unternehmen den GAV aufgekündigt und Änderungen vorgeschlagen. Das Unternehmen wollte dabei viele historische Errungenschaften der Arbeiter eliminieren, um weiterhin rentabel operieren zu können. Im Verlauf der Verhandlungen machte die Gewerkschaft Zugeständnisse und kam Cerrejón entgegen, da sich auch die Arbeiter der schwierigen wirtschaftlichen Lage bewusst sind. Die Gewerkschaft betonte auch, dass die Kosten des Gesamtarbeitsvertrags nur 6,84% der operativen Einnahmen der Mine ausmachen und damit die wirtschaftliche Stabilität der Mine nicht gefährden. Schlussendlich ging es der Gewerkschaft fast nur noch darum, den bisherigen Gesamtarbeitsvertrag zu erhalten und massive Kürzungen zu verhindern. Cerrejón wollte die Umwandlung von befristeten in unbefristete Verträge eliminieren, ebenso gewisse Subventionen für den Transport vom Wohn- zum Arbeitsort, verschiedene Zuschüsse für Aus- und Weiterbildung und Kultur und eine beträchtliche Anzahl bezahlter Arbeitstage für die Gewerkschaftsarbeit. Verschiedene weitere Zuschüsse, Prämienzahlungen und Stipendien wollte Cerrejón kürzen oder trotz Inflation und Kostensteigerung einfrieren[1]. Schon vor dem Streik hatte die Gewerkschaft die Vermittlung durch das Arbeitsministerium, durch Parlamentarier, den Gouverneur und Lokalpolitiker der Guajira gesucht. Cerrejón hat viele Vermittlungen ausgeschlagen und auf der massiven Kostenreduktion beharrt. Als es zu keiner Einigung kam, votierten die Arbeiter massiv für einen Streik, der am 31. August begann.
Die Mine hat in einem Communiqué beklagt, dass die Gewerkschaft das grosszügige Angebot der Firma mit 46 Millionen USD nicht annehme und mit dem Streik den Arbeitern schade, die Royalties des Departements verringere und die Entwicklung der Gemeinschaften behindere. U.a. erwähnte Cerrejón auch, dass jeder Arbeiter allein für die Unterzeichnung des neuen Abkommens 1461 USD ausbezahlt bekomme. Kein Wort verlor das Unternehmen über all die Punkte, die es nicht mehr gewähren wollte. Die ask! erachtet dieses Communiqué als einseitig und für die Sicherheit der Gewerkschafter gefährlich, da es suggeriert, dass die Gewerkschafter viel Geld bekommen und trotzdem noch mehr wollen. In einer Region mit grosser Armut und Arbeitslosigkeit kann das zu Neid führen, und Personen die keine Unterstützung (mehr) bekommen könnten Ressentiments entwickeln, was im schlimmsten Fall zu Drohungen und Übergriffen führen kann. Leider ist es nicht das erste Mal, dass Cerrejón die Gegenseite der Mine in öffentlichen Verlautbarungen kritisiert und an den Pranger stellt.
Auch während dem laufenden Streik zeigt sich Sintracarbón verhandlungsbereit und das Arbeitsministerium versucht mit einer Road Map zu vermitteln. Sintracarbón betont, dass sie nur minimalste Anpassungen an die Inflation und einige rechtliche Anpassungen fordern, aber nicht bereit sind, auf bisher Erreichtes zu verzichten und dass die neue Modalität der Schichten nach wie vor nicht akzeptabel sei. Sintracarbón hat den Vermittlungsvorschlag des Arbeitsministeriums mit vier Kommentaren akzeptiert, Cerrejón hat aber in einem offiziellen Brief an der unnachgiebigen Haltung festgehalten, womit die Vermittlung des Arbeitsministeriums nicht fruchtete. Der Streik dauert jetzt schon 29 Tage an.
Quellen:
https://sintracarbon.org/negociacion-colectiva-2020/comunicados-negociacion-colectiva-2020/
https://www.cerrejon.com/index.php/sala-de-prensa/
[1] Gesamte Liste der Streichungen und Kürzungen hier: https://sintracarbon.org/negociacion-colectiva-2020/comunicados-negociacion-colectiva-2020/en-detalle-la-pretension-patronal-de-eliminar-reducir-y-congelar-beneficios/