Die Unsicherheiten über die Zukunft des Kohlesektors werden auf dem Rücken der Arbeiter und der Gemeinschaften ausgetragen

Nov 9, 2021

Von Stephan Suhner

Der Kohlesektor des Cesar ist nach wie vor mit grossen Unsicherheiten belastet, was auch weiterhin zusätzliche Unsicherheiten für die Gemeinschaften und die Arbeiter bedeutet. Das Unternehmen Colombian Natural Ressources (CNR) befindet sich seit letztem Jahr in einer finanziellen Umstrukturierung, um einen Bankrott abzuwenden. Am 31. August 2021 hat CNR nun angekündigt, dass der kolumbianische Investitionsfonds Key Industries die Aktien von CNR übernimmt und den Bergbaubetrieb nach Monaten des Stillstandes wieder aufnimmt. Am 5. September 2021 wurde zudem bekannt, dass die nationale Bergbaubehörde schlussendlich die Rückgabe von drei der fünf Bergbautitel von Prodeco akzeptiert hat. Was das genau für die noch bestehenden Verpflichtungen Prodecos bedeutet, ist nicht restlos klar. Sechs Unternehmen, darunter vier chinesische, haben grundsätzlich Interesse an einer Übernahme der Minen von Prodeco gezeigt.

Die Kohle hat bisher jedoch kaum Entwicklung gebracht, die Entwicklung der Armut ist enttäuschend. Von 2012 bis 2019 blieb die Armutsquote im Departement Cesar genau gleich, bei 51,7%, das heisst Null Fortschritt in acht Jahren oder zwei Regierungsperioden. Cesar ist das siebtärmste Departement, die Guajira steht mit einer Armutsquote von 61,8% noch deutlich schlechter da. In Cesar (+2,6%) und Guajira (+4,9%) nahm auch die extreme Armut zu, das heisst Familien, die mit weniger als 501‘488 Pesos pro Monat (ca. 125 Franken) leben und damit Hunger leiden. Andere Departemente in der Karibikregion konnten im selben Zeitraum die Armut senken, und genau die beiden Departemente mit Kohlebergbau und Millionen an Royalties machten in der Armutsbekämpfung keine Fortschritte. Mit der Krise im Kohlesektor und der Pandemie dürfte sich die Lage seit 2019 noch verschärft haben. Viel Vertrauen in die Zukunft der Kohle haben die Bewohner im Cesar nicht mehr. Rund 150‘000 Geschäfte wie Restaurants, Hotels und Läden hängen wesentlich vom Bergbau ab, viele werden definitiv schliessen müssen. Die Bevölkerung hat kaum andere Berufsfertigkeiten und nun ist eine rasche Transition notwendig, für die niemand vorbereitet ist. Zudem werden Gemeinden wie La Jagua oder El Paso durch den Wegfall oder die Reduktion der Royalties einen grossen Teil ihres Budgets verlieren.

Die kolumbianische Regierung verfolgt den Plan einer Reaktivierung des Bergbausektors, auch des Kohlesektors. Inwieweit diese Reaktivierung längerfristig Erfolg hat und die soziale Krise mindern kann, ist noch ungewiss. Diese Reaktivierung darf jedoch nicht zulasten der Gemeinschaften und der Umwelt gehen, in dem zum Beispiel Auflagen reduziert werden. Es ist auch wichtig, dass die Gemeinschaften und die betroffene Bevölkerung und Arbeiter in die Entscheidungen und Planung des Sektors einbezogen werden. Insbesondere müssen der kolumbianische Staat und vor allem die Behörde für Umweltlizenzen (ANLA) Garantien abgeben und Entscheidungen treffen, die die Umsiedlungen von El Hatillo und Boquerón sicherstellen. Da CNR nicht mehr in den Umsiedlungsfonds einbezahlte, kam der Umsiedlungsprozess von El Hatillo zum Erliegen. Die ANLA verlangte dann von jedem Unternehmen einen individualisierten Arbeitsplan zur Erfüllung der Umsiedlungsverpflichtung, worauf die Unternehmen verlangten, dass die Umsiedlungen individuell, jede Familie einzeln, und nicht mehr kollektiv zu erfolgen haben. Nachdem die Umweltbehörden zudem ohne ausreichende technische Studien beschlossen haben, dass Boquerón nicht mehr unter starker Verschmutzung leide, soll diese Gemeinschaft nun nicht mehr umgesiedelt werden. Die Gemeinschaft beharrt auf einer vertieften epidemiologischen Studie über Gesundheit und Verschmutzung und befürchtet, dass Gelder der Umsiedlung für andere Zwecke entfremdet werden könnten. Zudem wurde der afrokolumbianische Teil der Gemeinschaft in Form des Gemeinschaftsrats COCONEBO nie konsultiert.

Die ANLA darf die von den Unternehmen vorgeschlagene Individualisierung so nicht akzeptieren, da es eine Nichterfüllung des Umsiedlungsplanes PAR bedeuten würde und die Kleinbauernfamilien von El Hatillo unter Druck setzt, auf eine kollektive Umsiedlung zu verzichten. In den Verhandlungen über die Wiederaufnahme der Bergbautätigkeit von CNR sollten das Bergbauministerium und die ANLA v.a. auf einer raschen Erfüllung der Verpflichtungen in der Umsiedlung von El Hatillo beharren. Zudem muss die Entscheidung, Boquerón nicht umzusiedeln, durch umfassende technisch-wissenschaftliche Studien überprüft werden und die gesamte Bevölkerung der Gemeinschaft in die weitere Planung einbezogen und dazu konsultiert werden.