Das Menschenrechtskomitee der UNO in Genf verurteilt den kolumbianischen Staat wegen der Ermordung eines Gewerkschafters bei Coca Cola

Jun 17, 2020

Von Stephan Suhner

Verurteilt wurde Kolumbien, weil der Staat es unterlassen hatte, strafrechtlich zu untersuchen, wer den Auftrag für den Mord am Gewerkschafter gegeben hat.

Nach der Ermordung von Adolfo Múnera en der Stadt Barranquilla, kam es zwar zur Verurteilung des Mörders zu 17 Jahren Gefängnis, aber es gab nie eine strafrechtliche Untersuchungen über die intellektuellen Täter, die Hintermänner und Nutzniesser der Tat. Die fehlenden Untersuchungen und Verurteilungen der Hintermänner, Auftraggeber und Nutzniesser sind bei all den Morden, die Sinaltrainal erlitten hat, eine Konstante. Im Fall von Adolfo Múnera hat Kolumbien zwar anerkannt, dass der Mord aus politischen Gründen stattfand, hat aber die möglichen Auftraggeber, darunter eine allfällige Verwicklung von Coca Cola, Unternehmen das beschuldigt wurde, Verbindung zu paramilitärischen Gruppen zu haben, nie untersucht. Adolfo hat mehrfach beim kolumbianischen Staat um Schutzmassnahmen ersucht, vor allem nachdem er von paramilitärischen Gruppen Todesdrohungen bekommen hatte. Trotzdem hat die kolumbianische Justiz die Hintergründe des Mordes an diesem Kämpfer für die Rechte der Arbeiter nicht untersucht.

Aus diesem Grund haben das Comité de Solidaridad con los Presos Políticos CSPP und das CETIM in Genf in Vertretung der Familie Múnera und der Gewerkschaft Sinaltrainal 2015 beim Menschenrechtskomitee der UNO eine Anzeige erstattet. 18 Jahre nach der Ermordung von Adolfo Múnera, am 19. Mai 2020, hat das Komitee festgestellt, dass der kolumbianische Staat die Art. 2, Abs. 3 und Art. 6, Abs. 1 des Internationalen Abkommens über zivile und politische Rechte verletzt hat. Das Komitee hielt fest, dass in der Zeit des Mordes an Adolfo in der Karibikregion viele Gewerkschafter ermordet worden waren, und dass deshalb vom Vorhandensein von intellektuellen Täter auszugehen war, welche von der kolumbianischen Justiz weder untersucht noch bestraft wurden. Im Urteil bezieht sich das Menschenrechtskomitee deshalb auf die Pflicht eines Staates, effektive rechtliche Mechanismen bereit zu halten und die administrativen und normativen Instrumente zum Schutz des Lebens anzuwenden. Das Menschenrecht auf Leben beinhaltet auch die staatliche Pflicht, jegliches Gesetz oder jegliche Massnahme zu treffen, die geeignet ist, das Leben zu schützen, insbesondere wenn es sich um besonders verletzliche Personen handelt, z.B. wegen erhaltenen Drohungen oder wegen Gewaltanwendung in ähnlichen Fällen. Wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Leben ist auch die staatliche Pflicht, die Verantwortlichen juristisch zur Verantwortung zu ziehen und zu sanktionieren.

Die Tatsache, dass das Menschenrechtskomitee der UNO den kolumbianischen Staat der Missachtung des Paktes für schuldig gesprochen hat, ist von grosser Tragweite und Nutzen für alle Personen und Organisationen, die gegen die Straflosigkeit von dieser Art von Delikten kämpfen. Denn das Urteil ruft die Wichtigkeit in Erinnerung, die eine umfassende juristische Aufarbeitung und Bestrafung der materiellen und intellektuellen Täter als Garantie der Nichtwiederholung hat.  Schlussendlich ordnet das Komitee an, dass der kolumbianische Staat innerhalb von 180 Tagen Informationen über die Massnahmen, die er getroffen hat, um die Ermordung des Gewerkschaftsführers aufzuklären, beibringen muss. So besteht Hoffnung, dass nach 18 Jahren des Wartens die Tatmotive und die Identität derjenigen, die seinen Tod in Auftrag gaben, bekannt werden. Dieses Urteil ist auch wichtig, weil immer offensichtlicher wird, dass die kolumbianische Justiz wenig Resultate gegen die Auftraggeber all der Morde an sozialen Führungspersonen und MenschenrechtsverteidigerInnen liefert. Franklin Castañeda, Präsident des CSPP und einer der Anwälte des Falles bei der UNO, hofft auf die Signalwirkung dieses Urteils, denn wenn der kolumbianische Staat z.B. aktuelle Fälle von Morden an sozialen Führungspersonen nicht umfassend aufklärt und für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung sorgt, könnte er international erneut verurteilt und gezwungen werden, die Untersuchungen neu aufzurollen und Wiedergutmachung zu leisten. Für Adolfo Múnera Rincón ist dieses Urteil des UNO Komitees ein grosser Schritt vorwärts, da es anerkannt, dass der kolumbianische Staat nicht alles tat, um das Verbrechen aufzuklären. Das wichtigste Ziel ist für die Familie Múnera aber noch nicht erreicht, dass nämlich die Wahrheit über das Verbrechen aufgedeckt wird.

Adolfo Múnera arbeitete seit 1983 in einem Abfüllbetrieb von Coca Cola und war Vorstandsmitglied der Lebensmittelgewerkschaft Sinaltrainal. Sinaltrainal war von der politischen Gewalt schwer betroffen: Bis 2004 wurden 9 Gewerkschafter von Sinaltrainal, die bei Coca Cola arbeiteten, ermordet, vier davon als direkte Folge gewerkschaftlicher Forderungen. 38 Arbeiter von Coca Cola mussten zudem ihre Stadt verlassen, 67 wurden Opfer von Todesdrohungen. Gegen Múnera wurde auch ein Strafverfahren angestrengt, weil er 1997 beschuldigt worden war, Mitglied des ELN zu sein. Obwohl das Verfahren zwei Jahre später mangels Beweisen eingestellt worden war, blieb der Ruf als Guerillero haften und er blieb Opfer von Einschüchterung und Beschattung, bis er am 31. August 2002 vor dem Haus seiner Mutter ermordet wurde.

Quellen:

https://www.cetim.ch/el-comite-de-derechos-humanos-de-la-onu-declara-el-estado-colombiano-responsable-por-violacion-del-derecho-a-la-vida-y-a-un-recurso-judicial-efectivo-en-caso-de-sindicalista-asesinado/

https://www.elespectador.com/colombia2020/justicia/verdad/colombia-violo-el-derecho-la-vida-de-un-sindicalista-comite-de-ddhh-de-la-onu-articulo-922432?fbclid=IwAR0TFVdi5l3DkUM3wYNIwqz9hHBj5lWxa0gvJbSf6UxX92sm40VP5kYcRE4

Vollständiges Urteil des UNO Menschenrechtskomitees: https://www.cetim.ch/wp-content/uploads/CCPR-C-128-D-3076-2017-S-1-1.pdf