Wie geht es dem Frieden?

Jan 28, 2019

Von Fabian Dreher

Halbjährlich berichtet die Stiftung Frieden und Versöhnung (Pares) über die Umsetzung des Friedensabkommens zwischen der Regierung Kolumbiens und den FARC. So auch zwei Jahre nach dem Beginn der Umsetzung. Um es mit dem Vorwort des ehemaligen Präsidenten Kolumbiens, Ernesto Samper Pizano, zu sagen: das Ende des Konflikts läuft gut, der Übergang verläuft normal, und der Postkonflikt funktioniert schlecht.

Das zwischen der Regierung Kolumbiens und den FARC ausgehandelte Friedensabkommen ist auf eine lange Zeit ausgelegt. Nach über 50 Jahren wäre es vermessen, den bewaffneten Konflikt und seine Ursachen innert 24 Monate überwinden zu wollen. Die Sonderjustiz für den Frieden (JEP), die die im Rahmen des bewaffneten Konflikts begangenen Verbrechen beurteilen soll, beendet ihre Arbeit voraussichtlich in 15 Jahren. Trotzdem lassen sich zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Friedensabkommens erste Aussagen über den Verlauf der Umsetzung machen. Die Stiftung Frieden und Versöhnung (Fundación Paz y Reconciliación, Pares) tut dies in ihrem Bericht vom Dezember 2018[1].

Nach dem 1. Dezember 2016 wurde der bewaffnete Konflikt zwischen der Regierung Kolumbiens und den FARC effektiv beendet. Die bewaffnete Gewalt hat ein Ende gefunden. Die FARC haben dabei ihren Teil des Abkommens eingehalten. Sie haben ihre Waffen abgegeben, demobilisiert und sich in den Übergangs- und Reintegrationszonen eingefunden. Das Ende des Konflikts ist ein Erfolg, dies zeigen verschiedene Kennzahlen wie die Anzahl Mordopfer, die Anzahl Entführungen oder die Anzahl von Minenopfern.

Der Übergang vom bewaffneten Konflikt zu einer ausgesöhnten Gesellschaft stösst immer wieder auf politischen Widerstand. Der Ausschluss der zivilen Akteure von der Wahrheitsfindung im Rahmen der JEP verletzt die Rechte der Opfer und steht der gesellschaftlichen Aussöhnung im Weg. Auch die Ablehnung der Kongresssitze für die am meisten vom bewaffneten Konflikt betroffenen Regionen zeigt deutlich, dass es weiterhin Kreise gibt, die keine Wiedergutmachung wollen, sondern auf Rache sinnen. Es sind dieselben Kreise, die auch in der Vergangenheit Stimmung gegen das Friedensabkommen gemacht haben.

Auch die Wiedereingliederung der ehemaligen FARC-KämpferInnen verläuft schleppend. Bis heute, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Friedenabkommens, wurden noch kaum produktive Projekte in den Übergangszonen bewilligt, auch Land für zukünftige Nutzungen steht keines zur Verfügung. Überhaupt hat der Staat bis heute kaum finanzielle Mittel für die Reintegration bereitgestellt. Frustriert haben inzwischen über die Hälfe der ehemaligen KämpferInnen die Übergangs- und Reintegrationszonen verlassen. Teils schlagen sie sich nun in den Städten oder bei ihren Familien selbst durch, teils haben sie sich auch für lukrative Angebote bewaffneter Gruppierungen entschieden.

Zwei Jahre nach dem Ende des bewaffneten Konflikts lässt sich sagen, dass die Regierung Kolumbiens nicht auf den Postkonflikt vorbereitet war und auch heute noch grösste Schwierigkeiten beim Aufbau einer friedlicheren und gerechteren Gesellschaft zeigt. Bis heute ist nicht viel von der vereinbarten integralen Landreform und der ländlichen Entwicklung zu sehen, erste Gesetzesprojekte verschwanden schnell wieder in den Schubladen. Der rasch in Angriff genommene freiwillige Ersatz illegaler Pflanzungen ist nach dem Ausbleiben der versprochenen Hilfszahlungen ins Stocken geraten. Und nun plant die neue Regierung sogar eine Rückkehr zu gesundheitsgefährdenden Besprühungen mit Glyphosat.

In einigen Regionen wie Tumaco, Chocó, Catatumbo oder Arauca ist der Postkonflikt bis heute nicht angekommen. Der Staat vernachlässigt in diesen Regionen seine Bevölkerung weiterhin. Die kolumbianische Regierung als Vertragspartei steht in der Pflicht, einen Entwicklungsplan für ganz Kolumbien vorzulegen und umzusetzen. Im Zentrum sollten dabei die Opfer des bewaffneten Konflikts sowie die gesamte vernachlässigte Bevölkerung im ländlichen Raum stehen. Der Staat sollte ihnen eine eigenständige Entwicklung ermöglichen und den Zugang zu staatlichen Grundleistungen wie Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Infrastruktur sicherstellen. Alles andere wäre fahrlässig. Denn es sind diese grossen strukturellen Ungleichheiten, die ursprünglich zu den bewaffneten Konflikten führten.

Kurzfristig ist der Übergang zum Frieden gelungen. Die Gewalt, insbesondere die bewaffnete Gewalt konnte in den letzten zwei Jahren in Kolumbien deutlich gesenkt werden. Mittelfristig ist der Übergang zum Frieden eingeleitet, wenn auch nicht ohne Misstöne und Schwierigkeiten. Kongress und Regierung haben hier noch einiges zu tun. Verschiedene Gesetzesvorlagen müssen verabschiedet werden und die Reintegration der in den ETCR verbliebenen ehemaligen FARC-KämpferInnen sollte so rasch wie möglich abgeschlossen werden. Die grossen Herausforderungen an Gesellschaft und Politik jedoch stellt der Postkonflikt. Hier gilt es teils jahrhundertealte strukturelle Defizite zu beheben. Denn nur so kann eine friedlichere und gerechtere Gesellschaft in Kolumbien entstehen.

 

[1] https://pares.com.co/wp-content/uploads/2018/06/INFORME-FINAL-2018-ilovepdf-compressed.pdf